Unsere Wurzeln

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Die humanistische Philosophie der Soka Gakkai steht in der Tradition von Shakyamuni (Siddharta Gautama), der vor rund 2500 Jahren in Indien den Buddhismus begründete. Im Lotos-Sutra, der zentralen Schrift der buddhistischen Mahayana-Lehre, betonte er, dass die Würde allen Lebens unantastbar ist und jeder Mensch ein unermessliches Potenzial besitzt: die Buddhanatur.

Der japanische Mönch Nichiren entwickelte im 13. Jahrhundert eine einfache buddhistische Ausübung, um die Ideale des Lotos-Sutra für jeden Menschen erfahrbar zu machen: Durch das Rezitieren („Chanten“) von Nam-Myoho-Renge-Kyo, dem Titel des Lotos-Sutra, können wertvolle Eigenschaften der Buddhanatur wie Mitgefühl, Weisheit und Mut gestärkt und im Alltag gelebt werden.


Shakyamuni

Shakyamuni
Der Große Stupa von Sanchi in Indien beherbergt angeblich die Reliquien von Shakyamuni Buddha. [Foto: Udit Sharma CC/BY-SA]

Der Buddhismus geht auf die Lehren von Shakyamuni (Gautama Siddartha) zurück. Er wurde vor etwa 2500 Jahren im heutigen Nepal als Sohn eines Fürsten geboren. Schon in jungen Jahren erkannte er, dass die Menschen im Laufe ihres Lebens immer wieder Leid erfahren. Das machte ihn tief betroffen. Die buddhistischen Schriften schildern, wie Shakyamuni vier Begegnungen erlebte, die ihm die Leiden von Geburt, Altern, Krankheit und Tod vor Augen führten. Diese definiert der Buddhismus als die vier Grundleiden, mit denen alle Menschen unweigerlich konfrontiert sind. Shakyamuni fragte sich, wie man das menschliche Leiden überwinden könne – und entwickelte eine starke Sehnsucht danach, Antworten auf diese Frage zu finden. So entschloss er sich, auf seinen adligen Status zu verzichten und begann seine spirituelle Reise.

Zunächst studierte Shakyamuni sowohl traditionelle als auch neue Lehren seiner Zeit. Einige Jahre lang übte er sich in verschiedenen asketischen Praktiken. Verzicht und Selbstkasteiung brachten ihm jedoch keine Erlösung. So gab er diese Praktiken schließlich auf. Nachdem er wieder zu Kräften gekommen war, setzte er sich in der Nähe der Stadt Gaya unter eine Pappelfeige (in vielen Büchern und Filmen später als „Bodhi-Baum“ bezeichnet, also „Baum der Erleuchtung“) und meditierte. Dort erreichte er einen Zustand des Erwachens: Er hatte eine tiefe Erkenntnis über die wahre Natur des Lebens und aller Dinge (Dharma). Wegen seiner Erleuchtung wurde er später Buddha oder „Erwachter“ genannt.

Nachdem Shakyamuni zur tiefen Wahrheit des Lebens erwacht war, saß er der Überlieferung nach noch eine ganze Weile unter dem Baum und erfreute sich seiner Erleuchtung. Gleichzeitig aber war er beunruhigt: Ihm wurde klar, wie schwierig es sein würde, anderen Menschen von seinen tiefen Erkenntnissen zu erzählen. Dennoch entschloss er sich schließlich, es zu versuchen. Damit wollte er für alle Menschen den Weg öffnen, die Leiden von Geburt und Tod zu überwinden.

Den Schriften zufolge reiste Shakyamuni daraufhin kreuz und quer durch den indischen Subkontinent: Er teilte seine Erleuchtung und Weisheit mit anderen, setzte sich für den Frieden ein und lehrte die Menschen, wie sie das grenzenlose Potenzial ihres eigenen Lebens entfalten können. In seinem großen Mitgefühl wollte er allen Menschen ermöglichen, denselben erleuchteten Seinszustand wie er selbst zu erlangen. Im 2. Kapitel des Lotos-Sutra heißt es dazu: „Wünschend, alle Menschen wie mich selbst werden zu lassen, ohne jeglichen Unterschied zwischen uns.“

Man nimmt an, dass Shakyamuni im Alter von 80 Jahren starb. Nach seinem Tod zeichneten seine Schüler seine Lehren in Form von Sutras schriftlich auf und verbreiteten sie in ganz Asien. Später entstanden auf dieser Grundlage verschiedene buddhistische Schulen. Sie alle verbindet das Streben nach Glück und Frieden auf der Basis von Mitgefühl.


Lotos-Sutra

Lotos-Sutra
Lotos-Sutra Manuskript auf Sanskrit, 4.–5. Jh. n. Chr. [Foto: International Dunhuang Project 2012 / Wikimedia Commons]

Etwa 500 Jahre nach Shakyamunis Tod entstand die buddhistische Mahayana-Bewegung, eine Art buddhistische Renaissance. Zahlreiche neue Sutras wurden in dieser Zeit zusammengestellt, darunter auch das Lotos-Sutra. Es gilt als eine der wichtigsten und einflussreichsten Schriften des Buddhismus.

Das Lotos-Sutra ist ein großes literarisches Werk in Form eines Dialoges zwischen Shakyamuni und seinen Schülern. Diese Gespräche verdeutlichen den Inhalt von Shakyamunis Erleuchtung – die Wahrheit des Lebens, zu der er erwacht war. Die Kernaussage lautet: Unabhängig von Geschlecht, Nationalität, sozialer Stellung oder intellektueller Fähigkeit trägt jeder Mensch in sich ein grenzenloses Potenzial, die sogenannte Buddhaschaft. Dieser höchste Seinszustand ist geprägt von Mitgefühl, Weisheit und Mut.

Die im Lotos-Sutra dargelegte Lehre ermutigt zu einer aktiven Auseinandersetzung mit dem Alltagsleben und seinen vielfältigen Herausforderungen. Die eigene Buddhaschaft zu öffnen bedeutet, grenzenlose innere Kraft und Weisheit zu schöpfen – Fähigkeiten, mit denen wir Schwierigkeiten in Glück transformieren und somit aus den Leiden und Widrigkeiten des Lebens einen Wert schaffen können. SGI-Präsident Daisaku Ikeda beschreibt das Lotos-Sutra daher als Lehre der Selbstbefähigung (Empowerment): „Die Entschlossenheit eines Individuums kann alles verändern. Das Lotos-Sutra ist eine Lehre, die dem unendlichen Potenzial in jedem Leben und dessen Würde den höchsten Ausdruck verleiht.“ (vgl. Dialoge über das Lotos-Sutra, Band 1, Seite 10)

Im Laufe der Jahrhunderte verbreitete sich das Lotos-Sutra in vielen Ländern. Ausgehend von der darin dargelegten Philosophie machten verschiedene buddhistische Gelehrte es sich zur Aufgabe, allen Menschen zu ermöglichen, ihr unbegrenztes Potenzial zu öffnen – jeweils in Übereinstimmung mit ihrem kulturellen Kontext.

Auf Sanskrit, der ursprünglichen Schriftsprache des Lotos-Sutra, heißt das Werk Saddharma-pundarika-sutra. In Indien verbreiteten insbesondere die buddhistischen Gelehrten Nagarjuna und Vasubandhu das Gedankengut des Mahayana-Buddhismus und des Lotos-Sutra. Aus der Sanskrit-Version des Sutras wurden verschiedene chinesische Übersetzungen angefertigt. Als herausragend gilt die Version von Kumarajiva (344–413) mit dem Titel Miao-fa-lian-hua-jing (japanisch: Myoho-renge-kyo). Die hohe Qualität des Textes erleichterte die Verbreitung der Lehre in China und Japan.

Zwei Gelehrte betonten in Ostasien die Vorrangigkeit des Lotos-Sutra gegenüber anderen Sutras: der Große Lehrer Tiantai (auch bekannt als Zhiyi) im sechsten Jahrhundert und Miao-lo aus China im achten Jahrhundert. Tiantai erkannte einen tiefgreifenden Unterschied zwischen der ersten Hälfte des Sutras und der zweiten, welche eine revolutionäre Perspektive auf den Buddhismus eröffnet. Im zweiten Teil der Schrift widerlegt Shakyamuni die Annahme, er habe erst zu seinen Lebzeiten in Indien die Erleuchtung erlangt. Er enthüllt, dass er in Wirklichkeit bereits seit der unvorstellbar weit entfernten Vergangenheit ein Buddha ist. Mit dieser Aussage möchte er verdeutlichen, dass die Buddhaschaft als eine gegenwärtige und ewige Realität dem Leben aller Menschen innewohnt.

Im neunten Jahrhundert etablierte der buddhistische Mönch Dengyo die Lehre Tiantais in Japan. Etwa 1500 Jahre nach Shakyamunis Tod konkretisierte der japanische Mönch Nichiren (1222–1282) die Wahrheit des Lebens (Dharma), die Shakyamuni im Lotos-Sutra dargelegt hatte. Er definierte ihre Essenz mit den Worten Nam-Myoho-Renge-Kyo und machte sie universell zugänglich. Nichirens buddhistische Lehre und Ausübung befähigt alle Menschen, selbst die Buddhaschaft zu verwirklichen. Damit erfüllt er die ursprüngliche Absicht von Buddha Shakyamuni, so wie sie im Lotos-Sutra dargelegt ist: „In jedem Augenblick denke ich darüber nach: Wie kann ich allen Lebewesen dazu verhelfen, Zugang zum unübertroffenen Weg zu finden und schnell den Körper eines Buddhas zu erlangen?“ (Lotos-Sutra, 16. Kapitel)


Nichiren

Nichiren
Darstellung der Küste von Kamakura aus dem 19. Jahrhundert von Utagawa Hiroshige [Wikimedia Commons]

Der japanische Mönch Nichiren (1222–1282) begründete die von den Mitgliedern der Soka Gakkai heute praktizierte Form des Buddhismus. Heute gilt er als herausragende Persönlichkeit der japanischen Sozial- und Religionsgeschichte.

Zu Zeiten Nichirens herrschte in Japan eine katastrophale Situation. Sie war geprägt von Naturkatastrophen, Hungersnöten, Epidemien und dem damit verbundenen humanitären Leid. Als Mensch von großer Warmherzigkeit und Mitgefühl war Nichiren ein kompromissloser Kritiker des religiösen und politischen Establishments seiner Zeit, denn die Machthaber waren nicht in der Lage, die katastrophale humanitäre Situation in Japan zum Besseren zu verändern. Aus tiefer Sorge um das Wohlergehen der einfachen Menschen wurde Nichiren zu einem unerbittlichen Gegner der oft korrupten und unterdrückerischen gesellschaftlichen Mechanismen. In einer feudalen Gesellschaft, in der es oberstes Gebot war, den Autoritäten zu gehorchen, erregte seine offenherzige, mutige Kritik reichlich Ärger und Widerstand. Doch Nichiren war sein uneigennütziges Engagement für das Wohlergehen der Menschen und den Frieden im Land so wichtig, dass er Schwierigkeiten und Verfolgungen durch die Machthaber bereitwillig in Kauf nahm.

Unerschrocken setzte er sich zeitlebens dafür ein, den Buddhismus wiederzubeleben, indem er ihn zu einer Kraftquelle für ein dynamisches, freies und mutiges Leben machte. Er war entschlossen, gesellschaftliche Bedingungen zu verwirklichen, die auf der Achtung der Würde und Gleichheit aller Menschen beruhen – so wie es sich Buddha Shakyamuni gewünscht hatte.

Ausgehend vom Lotos-Sutra begründete er eine konkrete Ausübung, die allen Menschen den Weg zur Verwirklichung der Buddhaschaft öffnet: das Rezitieren von Nam-Myoho-Renge-Kyo vor einem Schriftzeichen-Mandala, dem sogenannten Gohonzon (Objekt zur Betrachtung des eigenen Lebens).

Frühe Jahre

Nichiren wurde als Sohn einer Fischerfamilie in einer kleinen Küstengemeinde geboren. Im Japan des 13. Jahrhunderts standen Fischer auf der untersten Stufe der strengen sozialen Hierarchie. Im Alter von 12 Jahren begann er seine Ausbildung in dem örtlichen Tempel Seicho-ji. Mit 16 Jahren trat er offiziell in den dortigen buddhistischen Orden ein. Die Not und Härten des Lebens, mit denen die Menschen in seinem Dorf tagtäglich konfrontiert waren, bewegten Nichiren sehr. Seine Sorge um die Menschen wurde zur Antriebskraft seiner Suche nach dem Kern der buddhistischen Lehre. In einem seiner Briefe beschreibt er, wie er seit seiner Kindheit dafür betete, „der weiseste Mensch in ganz Japan zu werden“ – um die Menschen auf irgendeine Weise von ihrem Leid befreien zu können. Nach seinem Eintritt in den Mönchsorden widmete Nichiren sich intensiv dem Studium der buddhistischen Sutras und Erläuterungen buddhistischer Gelehrter aus den verschiedenen Schulen des Buddhismus. Hierfür reiste er zu den wichtigsten buddhistischen Zentren in Japan.

Etablierung seiner Lehre und Jahre der Verfolgung

Im Alter von 32 Jahren kehrte Nichiren zum Tempel Seicho-ji zurück, wo er am 28. April 1253 in einem Vortrag erklärte, dass der Schlüssel von Shakyamunis Erleuchtung im Lotos-Sutra zu finden sei. Nichiren definierte diese Essenz als Nam-Myoho-Renge-Kyo, dem Titel des Lotos-Sutra, welchem er die Silbe „Nam“ (deutsch: ich widme mich) voranstellte. Er kam zu dem Schluss, dass das Rezitieren von Nam-Myoho-Renge-Kyo die einzige Lehre und Ausübung sei, die ausnahmslos alle Menschen zur Erleuchtung führen könne. Die großen buddhistischen Schulen seiner Zeit fühlten sich dadurch provoziert: Nichirens Widerlegung der etablierten buddhistischen Lehren erweckte bei den Priestern dieser Schulen und ihren Anhängerinnen und Anhängern – zu denen auch einflussreiche Regierungsbeamte gehörten – tiefe Feindseligkeit. Eine Zeit enormer Schwierigkeiten begann für Nichiren, in der er pausenlos verschiedenen Schikanen und Verfolgungen ausgesetzt war.

Nach einer Reihe von verheerenden Naturkatastrophen, Epidemien und tiefem Leid für die Bevölkerung verfasste Nichiren 1260 seine berühmteste Abhandlung Über das Etablieren der richtigen Lehre für Frieden im Land. In dieser Schrift beschreibt er, wie seiner Überzeugung nach wieder Frieden und Ordnung hergestellt und weitere Katastrophen verhindert werden können. Ihm zufolge liegt der Schlüssel einzig darin, die Würde des Lebens und das Glück des einzelnen Menschen wieder in den Mittelpunkt zu stellen – auf Grundlage der Prinzipien des Lotos-Sutra. Über seine Beweggründe schreibt er: „Wie sollte ich dem Niedergang des buddhistischen Gesetzes zusehen und nicht von Gefühlen des Mitleids und Schmerzes erfüllt sein?“ Nichiren stellte seine, wie das Lotos-Sutra, als Dialog verfasste Abhandlung den höchsten politischen Autoritäten Japans vor und forderte sie auf, eine öffentliche Debatte mit Vertretern anderer buddhistischer Schulen zu unterstützen. Das Ziel: Eine Lehre in den Mittelpunkt zu stellen, welche die Kraft hat, die Menschen von ihrem Leid zu befreien und die Gesellschaft zu befrieden. Der Ruf nach einer öffentlichen Debatte, den Nichiren sein ganzes Leben lang wiederholte, wurde von den Machthabern ignoriert. Stattdessen verbannte man ihn auf die unwirtliche Halbinsel Izu.

Eine entscheidende Krise

Wegen seiner scharfen Kritik wurde Nichiren in den folgenden Jahren immer wieder von anderen buddhistischen Schulen und den Regierungsbehörden verfolgt. Dazu gehörten bewaffnete Angriffe, Hinterhalte, Verbannungen und schließlich der Versuch, ihn am Strand von Tatsunokuchi hinzurichten. Kurz bevor der Henker ihn mit seinem Schwert enthaupten konnte, zeigte sich am Nachthimmel ein Komet mit einer solchen Strahlkraft, dass die erschreckten Beamten die Hinrichtung abbrachen. Nichiren wurde kurz danach auf die karge Insel Sado verbannt. Unter extremen Entbehrungen teilte er dort weiterhin seine Lehren mit anderen Menschen. Außerdem schrieb er unaufhörlich Abhandlungen und Ermutigungsbriefe an seine Anhängerinnen und Anhänger. Ab diesem Zeitpunkt betrachtete er es als seine Lebensaufgabe, die Lehre von Nam-Myoho-Renge-Kyo zu verbreiten, um die Menschen zu befähigen, sich auf einer grundlegenden Ebene von ihren Leiden zu befreien. Er begann damit, den Gohonzon für seine Anhängerinnen und Anhänger einzuschreiben – ein Schriftzeichen-Mandala, das die Wahrheit des Lebens (Dharma) verkörpert, zu der er erleuchtet war.

Aufenthalt am Berg Minobu

1274 wurde Nichiren freigesprochen und kehrte aus der Verbannung nach Kamakura zurück, dem damaligen politischen Zentrum Japans. Er wandte sich erneut an die Regierungsbehörden und forderte sie dazu auf, sich nicht mehr auf irrige Lehren zu stützen. Die Machthaber lehnten seinen Rat jedoch zum dritten Mal ab. Er entschied daraufhin, Kamakura zu verlassen. Ab sofort lebte er am Fuße des Bergs Minobu. Von dort aus widmete er sich der Förderung von Nachfolgern, die nach seinem Tod die Verbreitung der Lehre sicherstellen sollten. Er fand viele Anhängerinnen und Anhänger und zahlreiche Personen, die ihn unterstützten. Auch sie wurden schikaniert und verfolgt. Ihre Standhaftigkeit gab Nichiren jedoch die Zuversicht, dass seine Lehren auch nach seinem Tod weiterbestehen und sich verbreiten würden.

Am 13. Oktober 1282, starb Nichiren im Alter von 61 Jahren eines natürlichen Todes. Er hatte seine Lebensaufgabe erfüllt: Mit dem Etablieren der Lehre von Nam-Myoho-Renge-Kyo und seiner Philosophie der Menschenwürde und Selbstbefähigung hatte er allen Menschen einen Weg geöffnet, durch den sie sich von ihren Leiden befreien und ein glückliches Leben führen können.