Daisaku Ikeda 26.01.2015

Ein gemeinsames Versprechen für eine menschlichere Zukunft: Die Beseitigung des Elends in der Welt Friedensvorschlag 2015

Zum 40. Gründungsjubiläum der Soka Gakkai International (SGI) möchte ich Ihnen einige meiner Gedanken zu den Themen Solidarität unter den Völkern der Erde, Friede, menschliche Werte und Beseitigung unnötigen Leids in der Welt mitteilen.

Die Zukunft wird durch die Ernsthaftigkeit bestimmt, mit der sich die heutige Generation für die kommenden Generationen einsetzt. Als Menschen sind wir durchaus in der Lage, dafür zu sorgen, dass niemand mehr das Leid ertragen muss, das wir überall um uns herum und in der Welt sehen.

Im 70. Jahr nach ihrer Gründung haben die Vereinten Nationen ihre Aktivitäten zur Bekämpfung globaler Probleme ausgedehnt.

Die Millennium-Entwicklungsziele (MDGs), die im Jahr 2000 zur Umsetzung bis 2015 festgelegt wurden, zielten darauf ab, die Situation von hungerleidenden und in Armut lebenden Menschen zu verbessern. Im vergangenen Juli legte die Offene Arbeitsgruppe der UN zur Ausarbeitung nachhaltiger Entwicklungsziele (SDGs, das sind neue Ziele, mit denen die Initiativen im Rahmen der MDGs bis ins Jahr 2030 fortgeführt werden sollen) einen interessanten Vorschlag vor. Die darin enthaltenen Formulierungen „Armut jeglicher Form überall beenden“ und „Ein gesundes Leben und das Wohlergehen von Menschen aller Altersgruppen sicherstellen“[1] zeigen, mit welcher Entschlossenheit die Vereinten Nationen sich dafür einsetzen, die Würde ausnahmslos aller Menschen zu schützen.

Die weltweiten Bemühungen um das Erreichen der Millenniumsziele brachten wichtige Erfolge hervor. So konnte die Zahl der Menschen, die in extremer Armut leben, um 700 Millionen gesenkt und der zwischen Jungen und Mädchen ungleich verteilte Zugang zu Bildung verbessert werden. Nichtsdestotrotz sind in vielen Regionen und Bevölkerungsgruppen dringend weitere Verbesserungen erforderlich. Vor diesem Hintergrund hat die Offene Arbeitsgruppe versucht, gezielt gemeinsame Mindeststandards zu entwickeln. Ich begrüße diesen Ansatz sehr, habe ich doch schon in früheren Apellen oft gefordert, dass das Ziel für die Zeit nach 2015 sein muss, dass kein Mensch mehr auf der Strecke bleibt.

Ich erinnere mich gern an einen Ausspruch meines Mentors Josei Toda (1900–1958), des zweiten Präsidenten der Soka Gakkai. Er sagte, bewegt vom Leid des ungarischen Volkes nach dem niedergeschlagenen Aufstand von 1956, er wünsche sich, dass der Begriff „Elend“ weder zur Beschreibung eines globalen Zustands, noch zur Beschreibung der Situation eines Landes oder eines einzelnen Menschen verwendet würde.[2] Martin Luther King Jr. (1929–1968) erklärte in einer berühmten Rede: „Gerechtigkeit ist unteilbar.“[3]Diese Auffassung vertrat auch Toda, geprägt durch seine gemeinsame Inhaftierung mit dem ersten Soka-Gakkai-Präsidenten Tsunesaburo Makiguchi (1871–1944), infolge ihres offenen Protests gegen die Gesetze der japanischen Militaristen zur Gedankenkontrolle während des Zweiten Weltkriegs. Toda war der Meinung, es könne nicht angehen, dass Friede und Sicherheit, Wohlstand und Glück Dinge sind, die nur ein Teil der Menschen genießen kann, während der Rest unter einem Mangel an allem leidet. Als der Koreakrieg eskalierte, äußerte er seine tiefe persönliche Sorge: „[…] Dieser abscheuliche Krieg hat dazu geführt, dass so viele Menschen ihre Ehemänner oder Ehefrauen verloren haben und dass unzählige Menschen sich nun auf die Suche nach ihren vermissten Kindern oder Eltern machen müssen.“[4] Die Grundlage seines Handelns war stets die Empathie für den Einzelnen. Er forderte einen „globalen Nationalismus“, eine weltweite Überzeugung, dass Menschen unabhängig von ihrer Nationalität oder ihrem Wohnsitz das Recht haben, in Glück und Frieden zu leben. Ursprung dieser Philosophie war der starke Wunsch, die Welt vom Elend zu befreien. Und das ist auch heute noch das Ziel, das die SGI mit ihren Initiativen zur Förderung von Frieden, Kultur und Erziehung sowie zur Unterstützung der Vereinten Nationen verfolgt.

Die von der Offenen Arbeitsgruppe formulierten notwendigen Bemühungen um die Teilhabe „aller Menschen auf der ganzen Welt“ an einem Leben in Glück und Frieden und die Forderung nach einer verstärkten Zusammenarbeit zu diesem Zweck bergen so manche Schwierigkeit. Darum sollten wir uns an den Kerngedanken der UN-Charta erinnern, die sich vollständig dem Ziel verschreibt, „die nachfolgenden Generationen von der Geißel des Krieges zu befreien“, „den Glauben an die fundamentalen Grundrechte zu stärken“ und „den wirtschaftlichen und sozialen Fortschritt in allen Gesellschaften unserer Welt zu fördern.“ Ich möchte nun drei Schwerpunktthemen anreißen, die für das Erreichen der neuen internationalen UN-Entwicklungsziele relevant sind und die Beseitigung des Elends in der Welt beschleunigen könnten.

Die Rückkehr von Politik und Wirtschaft zur Menschlichkeit

Das erste Schwerpunktthema ist die „Rückkehr von Politik und Wirtschaft zur Menschlichkeit“ als Mittel zur Beseitigung der Ursachen von menschlichem Leid. Im August vergangenen Jahres hielt das Toda Institute for Global Peace and Policy Research, das ich zu Ehren meines Mentors gegründet habe, eine Konferenz für wissenschaftliche Mitarbeiter in Istanbul ab. Die Konferenz beschäftigte sich mit aktuellen Themen wie dem Bürgerkrieg in Syrien, dem Nahostkonflikt, der Situation im Irak und in der Ukraine sowie mit den wachsenden politischen Spannungen in Ostasien. Zugleich stellte die Konferenz aber auch positive Trends heraus und beriet darüber, wie man diese weiter fördern könnte. Neben so wichtigen Themen wie der Stärkung der Position der UN und anderer internationaler Organisationen und der Förderung von Empathie, Weitsicht und Kreativität bei der jüngeren Generation lag ein weiterer Fokus auf der Rückkehr der Politik zur Menschlichkeit. Hauptmotivation der Politik müsse es sein, so der Konsens, das Leid des Einzelnen zu mindern.

In der UN-Charta und der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (UDHR) ist die Pflicht der Staaten zum Schutz der menschlichen Grundrechte klar formuliert. Und doch geht bis heute oft von den Staaten selbst eine Gefahr für das Leben und die Würde des Menschen aus. Über dieses Problem habe ich mich mit Dr. Kevin Clements, Generalsekretär des Toda Institute und Organisator der Konferenz, ausgetauscht. 

Der bedauernswerteste Beleg für diesen Umstand ist Krieg. Seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges haben es nur eine Handvoll Staaten geschafft, sich nicht mehr in bewaffnete Konflikte hineinziehen zu lassen. Und viel zu oft werden Menschenrechte und bürgerliche Freiheiten im Namen der nationalen Sicherheit beschnitten. Die Priorisierung der nationalen Stärke wird oft auf dem Rücken der schwächeren Mitglieder der Gesellschaft ausgetragen.

In den vergangenen Jahren haben zudem immer wieder Naturkatastrophen und extreme Wetterbedingungen dazu geführt, dass Menschen von jetzt auf gleich vor dem Nichts standen. Dieses Leid zu mindern, gehört zu den wichtigsten Aufgaben eines jeden politischen Systems. Und Gleiches gilt für die Wirtschaft. 

Vor zwei Jahren klagte Papst Franziskus in einem vielzitierten Appell das derzeitige Wirtschaftssystem an: „Wie kann es sein, dass die Nachricht von einem obdachlosen Mann, der auf der Straße erfriert, die Menschen weniger schockiert als die Nachricht, dass der Aktienkurs um zwei Prozentpunkte eingebrochen ist?“[5]

Tatsächlich führt die Fixierung auf Makroindikatoren wie das Wirtschaftswachstum oft dazu, dass das Leben, die Würde und das Auskommen des Einzelnen marginalisiert werden, während das ständig steigende Tempo der wirtschaftlichen Aktivität Menschen an den Rand der Existenz treibt.

Das Wort „Politik“ stammt von dem griechischen Begriff „politeia“ ab, dessen Bedeutung laut Definition unter anderem die Rolle des Bürgers im Staat hervorhebt. Der Begriff „Wirtschaft“ ist im Japanischen eine aus vier Zeichen bestehende Abkürzung eines chinesischen Begriffs, der so viel bedeutet wie „Ordnung in die Gesellschaft bringen und das Leid der Menschen mindern“. Heute werden die ursprünglichen Bedeutungen des Politikbegriffes von anderen Bedeutungen überlagert, und die treibenden Kräfte hinter politischen und wirtschaftlichen Entscheidungen verschlimmern das Leid derer, die ohnehin schon unter widrigen Umständen leben.

Unweigerlich kommt mir in diesem Zusammenhang das Dharmakonzept aus den frühen buddhistischen Lehren von Buddha Shakyamuni in den Sinn, das die Grundsätze der Lebensführung beschreibt, die jeder Mensch beachten sollte. Der Begriff „Dharma“ geht auf die Wurzel „dhŗ“ zurück, die symbolisch für „etwas Festes, das als Stütze dient“ steht. In chinesischen Übersetzungen buddhistischer Schriften wurde der Begriff mit „das Gesetz“ oder „der Weg“ übersetzt. Mit anderen Worten: Dharma bezeichnet die Idee, dass wir als Menschen etwas brauchen, das uns stützt, und dass es, wie schon der buddhistische Gelehrte Hajime Nakamura (1912–1999) erklärte, Grundsätze der Lebensführung gibt, die alle Menschen beachten müssen.[6]

Während es nur natürlich ist, dass sich bestimmte Aspekte der politischen und wirtschaftlichen Praxis mit der Zeit verändern, so gibt es doch Prinzipien und universelle Verhaltensstandards, die fortwährend gelten und nicht einfach ignoriert werden dürfen. In seinen späten Lehren ermutigte Buddha Shakyamuni seine Anhänger, ihr Leben immer in Einklang mit diesem grundlegenden Dharma zu leben, das er gern mit einer Insel verglich. Das Dharma sei in der gesellschaftlichen Realität wie eine Insel inmitten einer Flut, die das Leben der Menschen schütze und ihnen Zuflucht biete. Wenn wir diesen Gedanken auf unsere Lebenswirklichkeit übertragen, könnte man sagen, dass es in Krisenzeiten die Aufgabe von Politik und Wirtschaft ist, einen sicheren Raum zu erschaffen, besonders für die Schwachen – eine Grundlage, die den Menschen die Hoffnung zurückgibt, die sie zum Leben brauchen. 

Aus der Sicht der einfachen Bürger betrachtet birgt der Politikbegriff die fast gebetsartige Hoffnung, die Gesellschaft durch die eigene Wählerstimme und politische Teilhabe verbessern zu können. Und auch die Wirtschaft hat ihren Ursprung in dem starken Wunsch des Einzelnen, durch Arbeit und Engagement eine nützliche Funktion in der Gesellschaft zu erfüllen. Betrachten wir die Politik jedoch als Ganzes, sehen wir ein großes „demokratisches Defizit“. Das bedeutet, der Wille des Volkes wird durch die Politik nicht repräsentiert.

Das entsprechende Phänomen in der Wirtschaft sind die Exzesse des Finanzsektors, der durch unkontrollierte Spekulation die Realwirtschaft in ihren Grundfesten erschüttert hat. 

Welche Grundsätze müssen wir also beachten, um diese Entwicklungen zu stoppen und in unseren politischen und wirtschaftlichen Systemen eine Kursänderung herbeizuführen? 

Die folgenden Worte, die Mahatma Gandhi (1869–1948) einst an einen Freund schrieb, geben eine Antwort darauf: „Erinnere dich an das Gesicht des ärmsten und schwächsten Menschen, den du je gesehen hast, und frage dich, ob das, was du vorhast, ihm von Nutzen sein wird.“[7]

Gandhi möchte damit sagen, dass wir uns bei wichtigen Entscheidungen nicht nur nach politischen Trends oder wirtschaftlichen Theorien richten dürfen, sondern auch das Leid der Menschen im Blick haben sollen, mit denen wir diese Welt teilen.

Ich stimme zutiefst überein mit dem buddhistischen Konzept des „Mittleren Wegs“. Der Mittlere Weg bedeutet nicht nur, jedes extreme Denken oder Handeln zu vermeiden, sondern bezieht sich vielmehr auf den Prozess, diesen zu verfolgen. Das heißt, einen positiven Beitrag für die Gesellschaft zu leisten und sein eigenes Handeln immer wieder zu hinterfragen, um nicht vom Pfad der Menschlichkeit abzukommen. Indem Buddha Shakyamuni die Menschen dazu inspiriert, das Dharma als eine rettende Insel zu betrachten, ermutigt er sie zugleich, sich auf sich selbst zu verlassen. Indem er das tut, zeigt er die wahre Bedeutung des Mittleren Weges auf: nicht blindlings jeder Laune zu folgen, sondern wie Hajime Nakamura sagte, „sich auf sein wahres Selbst zu besinnen, das Selbst, an das wir glauben und auf das wir jederzeit stolz sein können.“[8]

Wenn jeder von uns bei seinem Handeln an diejenigen denkt, die dadurch beeinflusst werden, und sich jeder das Gewicht seiner Verantwortung anderen gegenüber vor Augen führt, ist das der Schlüssel zu unserem wahren Selbst und zu einer besseren Menschheit.

Wenn wir dieses Bemühen unterstützen, werden wir die wahre Funktion politischer und wirtschaftlicher Systeme erfassen und den Grundstein für ihre Rückkehr zur Menschlichkeit in der Gesellschaft verankern können. Das ist die Dynamik des Mittleren Wegs.

Entscheidungen, die wir auf dieser Grundlage treffen, werden möglicherweise kritisiert, als nicht zeitgemäß oder als entgegen der aktuellen Stimmung in der Gesellschaft verurteilt. Doch wer seinen eigenen Überzeugungen nicht treu bleibt, verhindert nicht nur, dass Gutes getan wird, sondern öffnet dem Bösen, das Leid über die Menschen bringt, Tür und Tor. Das war die feste Überzeugung von Tsunesaburo Makiguchi, dem Gründungspräsidenten der Soka Gakkai.

Makiguchi prangerte mit seinen Worten und Taten den militaristischen Faschismus im Nachkriegsjapan und die Maßnahmen zur Gedankenkontrolle an. Die Vorgängerin der Soka Gakkai, die Soka Kyoiku Gakkai (Gesellschaft für wertschaffende Erziehung), stand zu Beginn ihrer Tätigkeit 1940 unter der Überwachung der Sonderpolizei. Die Zeitschrift der Gesellschaft, Kachi sozo, wurde im Mai 1942 verboten, im Juli 1943 wurde Makiguchi verhaftet und verhört.

Der Mittlere Weg

Der Mittlere Weg ist ein buddhistischer Begriff mit vielfältigen Bedeutungen. Im weitesten Sinne beschreibt er die erleuchtete Sicht des Buddha auf das Leben und das Handeln bzw. Verhalten, das einen selbst und andere mit Glück erfüllt. Wer den Mittleren Weg geht, setzt sich über die Dualität des klassischen Schwarz-Weiß-Denkens, hinweg. So gilt im Buddhismus das Leben als eine „flüchtige Realität, die über das Konzept von Existenz und Nichtexistenz hinausgeht. Es ist weder Existenz noch Nichtexistenz und vereint in sich doch die Vorzüge von beidem.“ Mit anderen Worten: Das Leben ist der Inbegriff der Harmonie der Widersprüche. Die Weisheit, die wir durch diese erleuchtete Sicht auf das Leben erlangen, verleiht uns die Fähigkeit, offensichtliche Widersprüche miteinander in Einklang zu bringen, alles Extreme zu meiden, uns in der Realität des Lebens zu bewegen und doch den Weg des Friedens zu erkennen.

Auf die Fragen der Vernehmungsbeamten soll er Folgendes geantwortet haben: Manchmal beruhigen Leute, die sehr auf die Meinung anderer bedacht sind, ihr schlechtes Gewissen mit einem Lebensstil, der sie weder Gutes noch Schlechtes tun lässt, oder Gutes nur in sehr begrenztem Maße. Nicht selten führt das zu der Auffassung, dass alles akzeptabel sei, solange es nicht gesetzlich verboten ist. In meinen Augen ist ein solcher Lebensstil eine Verunglimpfung des buddhistischen Dharma.[9]

Mit „Verunglimpfung“ meint Makiguchi Handlungen, die den Lehren des Buddhismus nur zum Schein entsprechen. Im weiteren Sinne fordert er uns mit diesem Ausspruch dazu auf, alle Handlungen zu überdenken, die nicht mit dem Pfad der Menschlichkeit in Einklang stehen. Es gibt viele Beispiele für politisches oder wirtschaftliches Handeln, das menschliches Leid verursacht. Meist stehen die Akteure dem Leid der anderen gleichgültig gegenüber und sind um Selbstrechtfertigung bemüht. Das kritisierte Makiguchi scharf. Solange diese Denkweise vorherrsche, werde Wohlstand nicht nachhaltig sein und die „Nach-mir-die-Sintflut-Einstellung“ das Leid der Menschen noch vergrößern.

Da dieses Denken weit verbreitet ist, ist die Rückführung von Politik und Wirtschaft zu mehr Menschlichkeit und die Beseitigung von menschlichem Leid umso wichtiger. 

Einige Schritte in die richtige Richtung wurden bereits getan. So haben 110 Länder die von der UN-Menschenrechtskommission und anderen Gremien geforderten nationalen Institutionen zum Schutz von Menschenrechten eingerichtet. Diese setzen sich dafür ein, dass gesetzliche Rahmenwerke zum Schutz der Menschenrechte und zur Menschenrechtserziehung entwickelt werden. In meinem Friedensvorschlag von 1998 habe ich gefordert, Nichtregierungsorganisationen im Rahmen von konstruktiven Partnerschaften einzubinden, um sicherzustellen, dass die Arbeit dieser Institutionen strategisch optimal ausgerichtet werden kann.[10]

Die Soka Kyoiku Gakkai und die religiöse Unterdrückung im Zweiten Weltkrieg

Die Soka Kyoiku Gakkai (Gesellschaft für Werte schaffende Erziehung) wurde 1930 von Tsunesaburo Makiguchi und Josei Toda gegründet. Sie bestand zunächst aus einer kleinen Gruppe von Pädagogen, die eine Reform des Erziehungssystems anstrebten. Langsam entwickelte sich die Gruppe zu einer Gesellschaft mit wachsender Mitgliederzahl, die den Nichiren-Buddhismus als Mittel zur Reformierung nicht nur von Bildung und Erziehung, sondern der gesamten Gesellschaft lehrte. Das brachte die Gruppe in Konflikt mit der militaristischen Staatsführung, die in Bildung und Erziehung ein bewährtes Mittel sah, um die Menschen zu Sklaven des Staates zu machen, und die Ideologie der shintoistischen Deifizierung des Herrschers als Rechtfertigung für kriegerische Aggression predigte. In den späten 1930er-Jahren und während des gesamten Krieges wurden die Mitglieder der Soka Kyoiku Gakkai verstärkt von der Sonderpolizei überwacht und drangsaliert. Durch die Repressalien der Regierung wurde die Soka Kyoiku Gakkai systematisch beseitigt. Makiguchi und Toda wurden 1943 als „Gedankenkriminelle“ verhaftet. 1944 starb Makiguchi im Gefängnis. Toda wurde 1945 aus der Haft entlassen und baute die Organisation in ihrer heutigen Form als Soka Gakkai (Werte schaffende Gesellschaft) wieder auf.

Auch im Bereich der Wirtschaft zeigen sich positive Entwicklungen: Im Mai des vergangenen Jahres vereinbarten elf EU-Mitgliedsstaaten die flächendeckende Einführung einer Finanztransaktionssteuer. Nach der Finanzkrise 2008 und ihren Folgen für die gesamte Weltwirtschaft sollte die Besteuerung von Finanztransaktionen exzessive Spekulationen verhindern und Mittel für Umverteilungsprogramme generieren. Bereits 2016 könnte die neue Regelung in Kraft treten. In meinem Friedensvorschlag vor sechs Jahren forderte ich als weiteren Schritt in Richtung der Millenniumsziele eine noch breitere Einführung solcher Solidaritätsabgaben. Ich wies darauf hin, dass Maßnahmen wie die Finanztransaktionssteuer eine Möglichkeit sein könnten, einen positiven Wettbewerb auszulösen, in dem die Staaten miteinander um die besten Ideen und Zukunftsvisionen konkurrieren.[11] Die Realisierung der Nachhaltigkeitsziele (SDGs) erfordert mehr kreatives Denken in diese Richtung.

Die wichtigste Triebkraft für die „Rehumanisierung“ von Politik und Wirtschaft ist die Solidarität der einfachen Bürger, die mit kompromisslosem Engagement ihre Stimme für unsere gemeinsame Zukunft erheben. In einem seiner frühen Werke betonte Makiguchi, dass der lebendige Geist einer Gesellschaft nicht ohne den Einzelnen existiere und dass aus der Kommunikation zwischen Individuen und der Bewusstseinsänderung des Einzelnen ein ganz neues soziales Bewusstsein entstehe.[12]

Als ich mich einmal mit der Friedensforscherin Elise Boulding (1920–2010) über die Methoden zur Herbeiführung eines  gesellschaftlichen Wandels unterhielt, sagte sie: „Ich bin schon lange davon überzeugt, dass eine friedliche, positive Welt möglich ist, wenn wir all unsere Bemühungen auf die Entwicklung des einzelnen Mitglieds unserer Gesellschaft richten.“[13] Sie sagte außerdem, die Zukunft der Gesellschaft werde lediglich von fünf Prozent der Menschen bestimmt, die aktiv seien und sich engagierten. Diese fünf Prozent allein veränderten die gesamte Gesellschaft. Dieser Optimismus hat mich berührt und in meiner eigenen  Überzeugung bestärkt.

In diesem Sinne: Nicht die Zahlen, sondern die Tiefe unserer Solidarität ist es, die Politik und Wirtschaft zur Menschlichkeit zurückführen kann. Wir können den Lauf der Geschichte ändern, wenn wir es schaffen, unter den einfachen Bürgern Solidarität mit den Menschen zu Hause und in aller Welt zu verbreiten. Wir müssen in jedem Einzelnen den Wunsch wecken, dass niemand mehr in Elend leben darf.

Eine Kettenreaktion des Empowerments

Das zweite Schwerpunktthema ist, was ich „eine Kettenreaktion des Empowerments, eine Kettenreaktion der Selbstbefähigung“ nenne. Damit meine ich, dass wir anderen Menschen helfen können, die Fähigkeit zu entwickeln, das eigene Leid zu überwinden und in einen Wert zu verwandeln.

In den vergangenen Jahrzehnten haben Naturkatastrophen und extreme Wetterbedingungen verheerende Schäden angerichtet und überall auf der Welt humanitäre Krisen ausgelöst. Beispiele sind das Erdbeben in Kobe im Jahr 1995, das Erdbeben im Indischen Ozean und der Tsunami von 2004, das Erdbeben in Haiti von 2010, das Erdbeben im Osten Japans und der Tsunami 2011 und der Taifun Haiyan, der 2013 auf den Philippinen wütete. UN-Statistiken zufolge waren im Jahr 2013 22 Millionen Menschen aufgrund von Naturkatastrophen gezwungen, Haus und Heim zu verlassen. Das sind dreimal mehr Menschen als durch bewaffnete Konflikte aus ihrem Zuhause vertrieben wurden.[13]

Die tiefe Traurigkeit, die ein Mensch beim Verlust seines Zuhauses empfindet, habe ich am eigenen Leib erfahren. Im Zweiten Weltkrieg kamen wir wegen der Krankheit meines Vaters und der Einberufung meiner vier älteren Brüder zum Kriegsdienst kaum über die Runden und mussten mein Elternhaus verkaufen. Das Haus, in dem ich meine Kindheit verbracht hatte, wurde nach dem Verkauf abgerissen, um Platz für eine Feuerschneise zu schaffen, und das neue Haus, in das wir zogen, wurde kurz nach unserem Einzug von einer Brandbombe bis auf die Grundmauern zerstört.

Aufgrund dieser Erfahrungen kann ich die Trauer und Verzweiflung derer, die geliebte Menschen und ihr Zuhause verloren haben, sehr gut nachempfinden. Ein solches Erlebnis bedeutet den Verlust der ganzen Welt. Die wahre Herausforderung beim Wiederaufbau ist es, den Opfern Hoffnung und Lebenswillen zurückzugeben. Die durchgängige Unterstützung von der gesamten Gesellschaft ist dabei unverzichtbar.

Überall auf der Welt machen Menschen die schreckliche Erfahrung, entwurzelt zu werden, ihr Hab und Gut und ihren Platz in der Gemeinschaft zu verlieren, wenn auch nicht immer in dramatischster Form. Schätzungen zufolge lebt in Japan jeder fünfte Mensch über 65 in Armut, und jedes sechste Kind leidet unter Nahrungsmittelunsicherheit. [14] Für viele ist die wirtschaftliche Schwäche mit einem Gefühl der sozialen Isolation verbunden.

Auf der Suche nach Lösungen für dieses Problem können uns die Ansichten der amerikanischen Politikphilosophin Martha C. Nussbaum weiterhelfen. Nussbaum wies darauf hin, dass der traditionelle Sozialvertrag immer ohne Mitwirkung von Frauen, Kindern, älteren Menschen und Menschen mit Beeinträchtigungen formuliert wurde. Sie nennt das Nützlichkeitsprinzip als Grund dafür, warum das Leid bestimmter Personengruppen übersehen wurde:

Nach dieser Logik können das Leid und das Elend des Einzelnen durch das noch vorhandene Wohlergehen vieler ausgeglichen werden. Hier wird ein grundlegender moralischer Aspekt, dass nämlich jeder Mensch nur ein Leben hat, einfach beiseitegeschoben.[[footnote]Nussbaum, Frontiers of Justice, 237.[/footnote]]]

Nussbaum fordert, dass wir uns von der Idee verabschieden, der beidseitige Vorteil sei das einzig mögliche Organisationsprinzip in einer Gesellschaft. Stattdessen sollten wir die Gesellschaft basierend auf dem Prinzip der Menschenwürde umgestalten, sodass niemand mehr ausgeschlossen wird. Sie macht darauf aufmerksam, dass jeder von uns vielleicht irgendwann einmal auf die Hilfe anderer angewiesen sein wird, sei es aufgrund einer Krankheit, eines Unglücks oder altersbedingt. Darum sei die Neuausrichtung der Gesellschaft ein Thema, das uns alle betreffe. 

Nussbaums These hat viel mit dem Buddhismus gemeinsam, der sich im Kern mit der Frage beschäftigt, wie wir den grundsätzlich leidvollen Kreislauf des Lebens und seine Phasen Geburt, Alter, Krankheit und Tod durchbrechen können. Wie die berühmte Legende von den vier Ausfahrten zeigt, war Buddha Shakyamuni über die bis dahin ungeahnte Existenz von Krankheit, Alter und Tod hinaus besonders von der Tatsache bewegt, dass die Menschen diesen leidvollen Erfahrungen allein ausgesetzt waren und einsam und verlassen am Straßenrand starben oder ohne jegliche Beachtung und Fürsorge krank vor sich hin vegetierten. Besonders die isolierende Natur des Leidens schien ihn zu bewegen.

Tatsächlich pflegte Buddha Shakyamuni neben seinen Aktivitäten als Gelehrter regelmäßig bedürftige Menschen und wies seine Schüler scharf zurecht, wenn sie dem Leiden anderer mit Gleichgültigkeit begegneten. Einer seiner Lehrsprüche lautete: „Wenn du in Not gerätst, ist es schön, Freunde zu haben“[15]. Weder Krankheit noch das Alter schmälert den Wert unseres Lebens. Trotzdem verzweifeln die Menschen, weil sie ausgeschlossen werden, keine Verbindung mehr zur Gemeinschaft spüren und nicht erfahren dürfen, wie schön es ist, akzeptiert zu werden, wie man ist. Dies ist etwas, das Buddha Shakyamuni nicht einfach hinnehmen konnte.

Eines der wichtigsten Lehrkonzepte des Mahayana-Buddhismus ist das Konzept der Bedingten Entstehung. Dieses besagt, dass alles Leben miteinander verbunden ist. Durch dieses Verständnis von Verbundenheit können wir selbst leidvolle Erfahrungen wie Krankheit und Altern in Möglichkeiten verwandeln, unser eigenes und das Leben der anderen zu bereichern. Aber das rein intellektuelle Bewusstsein, dass wir alle miteinander verbunden sind, reicht noch nicht aus, um eine positive Veränderung der Gesellschaft herbeizuführen.

Die vier Ausfahrten

Die Legende von den vier Ausfahrten erscheint in verschiedenen buddhistischen Schriften. Sie gelten als der Anlass, der Buddha Shakyamuni dazu motivierte, dem Weltlichen zu entsagen und ein religiöses Leben zu führen. Buddha Shakyamuni wurde als Prinz geboren und führte ein behütetes Leben hinter Palastmauern, gut abgeschirmt vom Leid des gemeinen Volkes. Bei drei Ausflügen hinaus in die Welt begegnete er einem alten Mann, einem Kranken und einem Toten. Durch diese Begegnungen wurde ihm der Leidenskreislauf des Lebens mit den vier Stationen Geburt, Alter, Krankheit und Tod bewusst. Die vierte Begegnung hatte er mit einem Asketen, dessen ruhige Erhabenheit Buddha Shakyamuni inspirierte, auf eine spirituelle Reise zu gehen und herauszufinden, wie man menschliches Leid überwinden kann.

„Wenn wir uns vor dem Spiegel verbeugen, verbeugt sich die Person im Spiegel ebenfalls ehrfürchtig vor uns.“[16] Dieses Zitat soll verdeutlichen: Nur wenn wir die Würde der anderen erkennen und sie ihnen als genauso unantastbar zugestehen wie unsere eigene Würde, wird die Verbindung zwischen uns Menschen greifbar. Nur dann entzünden die Tränen und das Lächeln, das wir miteinander teilen, einen Hoffnungsschimmer in uns, der Lebensmut und neuen Lebenswillen schenkt.

Der Psychologe Erik H. Erikson (1902–1994), bekannt für seine Forschungsarbeit auf dem Gebiet der Konzeptualisierung der Identität, entwickelte einst einen Ansatz, der der buddhistischen Lehre von der Bedingten Entstehung ziemlich nahe kam: Zusammenleben ist mehr als ein zufälliges Nebeneinanderherlaufen. Die Lebensphasen des Einzelnen sind mit denen anderer Menschen in seinem Umfeld verwoben, und sie beeinflussen sich gegenseitig.[17]

Ich möchte Eriksons Ideen hier aufgreifen, um die unendlichen Möglichkeiten aufzuzeigen, die die Lehre der Bedingten Entstehung bietet. Ein Beispiel ist die Möglichkeit der Selbstbefähigung, die von Leid betroffene Menschen Kraft schöpfen lässt, um ihre Gemeinschaften und die Gesellschaft als Ganzes mit dem Licht ihrer inneren Stärke zu erleuchten.

Die erste von Eriksons Überzeugungen, die ich aufgreifen möchte, ist, dass ein älterer Mensch das Gefühl braucht, gebraucht zu werden. [18] Für mich bedeutet das: Solange wir uns gebraucht und nützlich fühlen, werden wir die Kraft zum Handeln finden, egal, wie schlecht es uns gehen mag. Das Verlangen zu handeln weckt unsere Lebensgeister und hält die Flamme der menschlichen Würde am Leben.

Dazu fällt mir das Beispiel von Elise Boulding ein, die ich zuvor schon einmal zitiert habe, und die Art und Weise, wie sie die letzten Jahre ihres Lebens verbrachte. In den Jahren vor ihrem Tod erhielt Dr. Boulding Besuch von verschiedenen SGI-Mitgliedern. Damals bereits über 80 Jahre alt, erklärte sie, dass sie zwar selbst nicht mehr die Kraft für große Buchprojekte aufbringen könne, dafür aber mit Freude Vorworte für die Bücher von Freunden und Schülern schreibe.

Nachdem sie in eine Pflegeeinrichtung verlegt worden war, motivierte sie Tag für Tag der Gedanke, dass es trotz ihrer Einschränkungen etwas geben musste, das sie tun konnte. Ihr Student Dr. Kevin Clements erinnert sich, dass sie einmal sagte, sie könne schon dadurch etwas Gutes tun, dass sie lächele, anderen gegenüber höflich sei und dem Pflegepersonal für seine Freundlichkeit danke. Bis kurz vor ihrem Tod empfing sie mit dem gleichen wunderbaren Sinn für Gastfreundlichkeit Besucher, wie sie es früher in ihrem Haus getan hatte.

Dr. Boulding hat bewiesen, dass wir immer in der Lage sind, uns anderen in irgendeiner Weise verbunden zu fühlen. Dadurch können wir den Menschen um uns herum Momente des Glücks bescheren und sie im Licht unserer Menschlichkeit erstrahlen lassen. Diese Momente sind Erinnerungen an unser Sein, die in unserem eigenen und in den Herzen anderer weiterleben. Dieses erhabene innere Licht des Lebens ist die Manifestation des Glaubens an das eigene Wirken, der uns in jeder noch so schlimmen Lage Kraft schenkt.

Ein weiterer Gedanke Eriksons ist, dass die Neuinterpretation früherer Ereignisse das Leid daran hindern kann, sich auszubreiten und zerstörerische Kreisläufe in Gang zu setzen. Wir können die Zeit nicht zurückdrehen. Aber indem wir anderen von den Erfahrungen berichten, die uns dorthin gebracht haben, wo wir sind, können wir vergangene Ereignisse neu interpretieren und zu etwas Positivem nutzen. Erikson nannte das eine Quelle der Hoffnung.

Mit den SGI-Glaubensaktivitäten tun wir genau das. Wir vermitteln persönliche Erfahrungen, die unseren Mitgliedern dabei helfen, gemeinsam eine tiefere Zuversicht zu entwickeln. Die Tradition unserer kleinen Gruppentreffen stammt bereits aus der Zeit unseres Gründungspräsidenten Tsunesaburo Makiguchi.

Hier sprechen die Teilnehmer zum einen darüber, was ihnen Glück bringt und wodurch sie Sinn im Leben finden, zum anderen aber auch über die Prüfungen des Lebens wie den Tod von Angehörigen, Krankheiten, finanzielle Nöte, berufliche oder familiäre Schwierigkeiten oder Erfahrungen mit Diskriminierung und Vorurteilen. Unsere Treffen sind ein Ort, an dem das Gewicht und die Einzigartigkeit einer jeden Lebensreise anerkannt wird, an dem Tränen der Freude und der Traurigkeit freimütig geteilt und Menschen bei der Überwindung des Leids unterstützt werden.

Der Sprecher entwickelt durch diesen Austausch die Erkenntnis, dass jede einzelne Erfahrung, ob gut oder schlecht, ein Meilenstein in der Entwicklung seines jetzigen Selbst war, und er erkennt, dass er diese Erfahrungen nutzen kann, um in Zukunft weiter zu wachsen. Der Zuhörer entwickelt durch die Geschichten der Sprecher den Mut, seine eigenen Probleme anzugehen. Die Kettenreaktion des Empowerments, ausgelöst durch die Empathie für den anderen, ist die Grundessenz unserer Glaubenspraxis.

In diesem Zusammenhang möchte ich auch auf die weitreichende Wirkung hinweisen, die die Lebensgeschichte eines Einzelnen, der in seinem persönlichen Leiden einen Sinn gefunden hat, auf das Leben anderer Menschen haben kann. Diese Lebensgeschichten verbreiten sich über nationale Grenzen hinweg, verbinden ganze Generationen und geben vielen Menschen Mut und Hoffnung.

Eine solche Lebensgeschichte sah Erikson bei Gandhi, den er als perfektes Beispiel für seine Philosophie anführte und über den er sogar ein biografisches Porträt verfasste. Erikson beschreibt die jungen Menschen, die sich um Gandhi scharten, wie folgt:

Diese jungen Leute schienen dann, in vielerlei Hinsicht beflügelt, einen gemeinsamen Charakterzug zu entwickeln, nämlich aufrichtige Besorgnis um die Verstoßenen und die Verfolgten, zunächst innerhalb ihrer Familien und später in einem erweiterten Kreis um sie herum.[19]

Dieser Prozess war zweifelsohne genau das, was Gandhi bezweckt hatte. Seine eigenen Erfahrungen mit Diskriminierung veranlassten ihn zu seinem Kampf für Menschenrechte in Südafrika und schließlich zu seinem gewaltlosen Kampf für die Unabhängigkeit Indiens. Sein größter Wunsch war, dass ausnahmslos alle Menschen frei von Unterdrückung leben können. Diese brennende Überzeugung war das, was junge Menschen dazu bewegte, sich Gandhi anzuschließen.

Nach Gandhis Tod diente sein Beispiel als Vorbild für weitere Menschenrechtskämpfer wie Martin Luther King jr. und Nelson Mandela (1918–2013). Als ich Präsident Mandela im Juli 1995 traf, sprachen wir über Gandhis Inhaftierung, über die Mandela anlässlich des 125. Geburtstags Gandhis einen Beitrag in einer wissenschaftlichen Zeitschrift geschrieben hatte, für die auch ich ein Essay verfasst hatte. Er sagte:

So ertrug Gandhi zu Beginn des Jahrhunderts die Gefangenschaft. Und obwohl uns viele Jahre trennen, gibt es vieles, das uns eint: die Gefängniserfahrung, unsere Auflehnung gegen ungerechte Gesetze und die Tatsache, dass Gewalt unsere Hoffnung auf Frieden und Versöhnung bedroht.[20]

Dass Gandhi den Weg der Leidensprüfungen bereits gegangen war, gab Mandela die Kraft, an seiner Gefangenschaft, die 27 Jahre andauerte, nicht zu zerbrechen.

Vor 50 Jahren begann ich, die Geschichte der Soka Gakkai in dem mehrbändigen Werk „Die Menschliche Revolution“ aufzuschreiben. Kernthema ist eine große Revolution, bei der ein einziger Mensch das Schicksal einer ganzen Gesellschaft und vielleicht sogar der gesamten Menschheit verändern kann. Ein wichtiger Aspekt ist auch hier die Idee von der Kettenreaktion des Empowerments, die sich über nationale und zeitliche Grenzen hinweg ausbreitet und Völker und Generationen miteinander verbindet.

Erweiterung von Freundeskreisen als Grundlage für die Beendigung von Kriegen

Als drittes Schwerpunktthema möchte ich die Bedeutung von Freundschaften über alle Unterschiede hinweg, zum Aufbau einer Welt der Koexistenz, diskutieren.

In den vergangenen Jahren hat sich die Natur der weltweiten Konflikte verändert und neuen Anlass zur Sorge gegeben. Nationale Konflikte werden zunehmend internationalisiert, und neben den Konfliktparteien selbst greifen andere Gruppen aktiv in das Geschehen ein. Diese Entwicklungen haben beispielsweise die Herbeiführung eines Waffenstillstands oder einer friedlichen Lösung im syrischen Bürgerkrieg massiv erschwert.

Gleichzeitig hat sich die Zielsetzung militärischer Aktionen verschoben. Der Zweck des Krieges besteht nach der Definition von Carl von Clausewitz (1780–1831), einem deutschen Theoretiker moderner Kriegsführung, darin, dem Gegner den eigenen Willen aufzuzwingen. Heute geht es jedoch mehr darum, ganze Gruppen zu eliminieren, die als Feind identifiziert wurden. In den Konfliktgebieten ist es nahezu alltäglich geworden, Militärschläge aus der Ferne zu steuern und Zivilisten, darunter auch Kinder, zu töten. Man kann nur spekulieren, wo derart skrupellos ausgeführte Militäraktionen noch hinführen werden, bei denen die Menschlichkeit des Feindes und dessen Lebensrecht völlig ausgeblendet werden.

Der Schrecken, der von der fortschrittlichen Waffentechnologie und der um sich greifenden Eliminierungsmentalität ausgeht, verstößt nicht nur gegen das humanitäre Völkerrecht, sondern ist auch absolut unvereinbar mit der Philosophie der Menschlichkeit.

Im vergangenen Jahr eröffnete die UN eine Debatte über die Bedrohung durch sogenannte Lethal Autonomous Weapon Systems (LAWS), oder „Killer-Roboter“: „Wir müssen erkennen, dass wir an der Schwelle zur vollständigen Automatisierung des Krieges stehen.“

Gleichzeitig müssen wir anerkennen, dass die Eliminierungsmentalität nicht mehr nur auf Konfliktregionen beschränkt, sondern in verschiedenen Teilen der Welt auf fruchtbaren Boden gefallen ist. Im Dezember 2013 startete die UN die „Human Rights Up Front“- Initiative, mit dem Ziel, die Gefahr jeder einzelnen Menschenrechtsverletzung aufzuzeigen und rechtzeitig zu reagieren, bevor die Situation zu Massakern und Kriegsverbrechen eskaliert.

Hassreden sind ein ernstes gesellschaftliches Problem in vielen Ländern geworden. Selbst wenn diese nicht zu Gewalttaten führen, verfolgen sie doch das gleiche böswillige Ziel, anderen zu schaden. Damit sind Hassreden eine Menschenrechtsverletzung und dürfen nicht ignoriert werden. Niemand würde auf Vorurteilen begründete Gewalt gegen sich oder seine eigene Familie tolerieren. Richten sich Hass und Gewalt aber gegen andere Ethnien oder Bevölkerungsgruppen, kommt es nicht selten vor, dass die Menschen dies aufgrund eines vermeintlichen Fehlers oder Versagens seitens der Opfer als gerechtfertigt betrachten.

Damit solche Situationen nicht eskalieren, müssen wir in einem ersten Schritt dafür sorgen, dass die Menschen sich von Angesicht zu Angesicht begegnen, frei von jeglicher Art des kollektiven Denkens. Ein Kapitel aus dem Vimalakirti-Sutra, „Die Belehrung des Vimalakirti“, das eine Begegnung zwischen Shakyamunis Schüler Shariputra und einer weiblichen Gottheit beschreibt, ist in diesem Zusammenhang sehr lehrreich.

Buddha Shakyamuni fordert darin seinen Schüler Manjushri auf, den Laiengläubigen Vimalakirti zu besuchen, der krank ist. Ein weiterer seiner besten Schüler, Shariputra, beschließt, ihn zu begleiten. Der Besuch führt zu einer weitreichenden Diskussion zwischen Manjushri und Vimalakirti über die Lehren Buddhas.

Als die Diskussion ihren Höhepunkt erreicht, lässt eine Göttin, die sich unter die Zuhörer gemischt hatte, als Zeichen ihrer Freude Blütenblätter auf alle Anwesenden herabregnen. Shariputra, der das für einen Ausübenden des Weges nicht angemessen findet, versucht, die Blütenblätter abzuklopfen, aber sie kleben an ihm fest. Als sie das sieht, sagt die Göttin: „Blumen werten nicht; Du jedoch machst Unterscheidungen zwischen den Menschen!“, und macht so die Anhaftungen und Vorurteile deutlich, die Shariputra leiten.

Shariputra erkennt, dass die Göttin die Wahrheit sagt. Doch als er ihre Ausführungen weiter infrage stellt, nutzt sie ihre magischen Kräfte, um mit Shariputra den Körper zu tauschen. Sie erklärt dem verblüfften Shariputra auf diese Weise das Wesen und die Auswirkungen seiner diskriminierenden Haltung und verwandelt sich und ihn wieder zurück. Durch diese erstaunliche Wendung erkennt Shariputra, dass wir uns nicht von Äußerlichkeiten beeinflussen lassen dürfen und dass die Dinge nicht fest an eine bestimmte Form oder Eigenschaft gebunden sind.

Das Wichtige ist hier meiner Meinung nach, dass Shariputra durch den Perspektivwechsel sehr lebendig vor Augen geführt wurde, wie diskriminierend seine Haltung gegenüber dieser Göttin war, und dass ihm dadurch sein Fehler bewusst wurde.

Durch die fortschreitende Globalisierung gibt es immer mehr grenzüberschreitende Bewegungen, und viele Menschen erkennen durch Besuche oder längere Aufenthalte in anderen Ländern, dass auch sie zuvor unbewusst Vorurteile gegen andere Ethnien hatten. Das macht es umso wichtiger, dass Menschen sich darum bemühen, andere zu verstehen und sich in sie hineinzuversetzen.

Ohne solche Bemühungen können sich gerade in Krisenzeiten unsere eigenen Vorstellungen von Friede und Gerechtigkeit verschieben und zu einer Bedrohung für das Leben und die Würde anderer entwickeln. Darum ist der Perspektivwechsel, den Shariputra erlebt hat, so bedeutsam. Er verdeutlicht uns die unterschwellige, unbewusste Drohung, mit der wir auf andere blicken. Er lässt uns die Bedrohung, die andere Menschen und ihre Familien vielleicht empfinden, nachfühlen und entkräftet unsere Mutmaßungen und Vorurteile.

Das Vimalakirti-Sutra

Das Vimalakirti-Sutra ist ein Lehrtext aus dem Mahayana-Buddhismus. Vimalakirti, der Protagonist des Gleichnisses, ist ein wohlhabender und bekannter Bürger der antiken Stadt Vaishali, die zu Lebzeiten Shakyamunis im heutigen indischen Bundesstaat Bihar im Nordwesten des Landes gelegen haben soll. Vimalakirti war ein Kenner der Mahayana-Lehren und geschickt darin, anderen diese zu vermitteln. Damit verkörpert er den idealen Mahayana-Laiengläubigen. Das Sutra enthält mehrere Berichte darüber, dass Vimalakirti die buddhistischen Lehren besser verstand als die zehn besten Schüler von Shakyamuni Buddha. Unter den Lehren, mit denen sich das Sutra beschäftigt, sind das Ideal des Bodhisattva, der keinen Unterschied zwischen sich und anderen macht, und die Einheit von scheinbar gegensätzlichen Dingen wie Leben und Tod oder Gut und Böse.

Als Shariputra von Buddha Shakyamuni den Auftrag erhielt, Vimalakirti zu besuchen, war seine erste Reaktion Zögern. Und als er mit Manjushri dort ankam, war seine erste Sorge, dass es für ihn keinen Sitzplatz gab. Von Manjushri nach der Ursache seiner Krankheit gefragt, sagte Vimalakirti: „Alle lebenden Wesen sind krank, also bin auch ich krank.“ Er wandte sich seinen Besuchern zu und sagte, wenn sie wirklich um sein Wohlergehen besorgt seien, sollten sie das zum Ausdruck bringen, indem sie andere Kranke pflegen und ihnen Mut machen. Während Shariputra sich nur um sich selbst sorgte, hatte Vimalakirti das Leid aller Menschen im Blick, ungeachtet der Umstände oder möglicher Unterschiede.

Wenn wir die aktuelle Weltlage vor dem Hintergrund dieses Sutras betrachten, können wir Folgendes daraus lernen: Friede und Gerechtigkeit sollten als Gemeingut betrachtet werden. Wenn sie aber durch übermäßige Ichbezogenheit als aufteilbar wahrgenommen werden, können sie leicht als Rechtfertigung für Unterdrückung und Gewalt gegen andere missbraucht werden, mit denen wir in Konflikt stehen.

Um menschliches Leid zu beseitigen, ist es erforderlich, dass wir mehr Solidarität untereinander entwickeln, besonders angesichts der Bedrohungen, die uns alle betreffen, wie Naturkatastrophen, der Klimawandel oder Atomwaffen.

Jeder von uns kann einen Beitrag zu mehr Solidarität leisten, indem wir durch Dialog neue Freundschaften knüpfen. In meinen vielen Gesprächen mit dem indonesischen Präsidenten Abdurrahman Wahid (1940–2009) über den Islam und den Buddhismus betonte dieser, dass der Dialog Menschen unterschiedlicher ethnischer Zugehörigkeit, kultureller oder geschichtlicher Prägung ein Gesicht gibt. Durch persönlichen Kontakt und wiederholten Austausch lernen wir das Leben des anderen kennen. Selbst wenn wir die Bedeutung von Attributen wie Religion oder ethnische Zugehörigkeit erkennen und wertschätzen, lassen wir in der persönlichen Auseinandersetzung nicht zu, dass dies das einzige ist, das wir sehen. Die  geteilten Emotionen und das gegenseitige Vertrauen, das durch diese Begegnungen entsteht, verschmelzen zu einer einzigartigen Melodie, die zwei Leben verbindet. Ich glaube, darin bestehen der wahre Wert und die wahre Bedeutung von Freundschaft. Oder wie der Historiker Arnold J. Toynbee (1889–1975) sagte: „Solche Einblicke in die Wirklichkeit sind Erfahrungen von unschätzbarem Wert“.[21]

Freundschaft kann sich frei entwickeln, wenn wir uns nicht allzu sehr mit unseren jeweiligen Eigenschaften befassen und stattdessen den anderen im Licht seiner Menschlichkeit betrachten. Seit ich vor 43 Jahren mit Dr. Toynbee in Dialog trat, genieße ich das Privileg, mich mit führenden Persönlichkeiten aus vielen verschiedenen kulturellen, ethnischen, religiösen und politischen Kreisen austauschen zu können. Eines war uns allen dabei stets gemein: die Sorge  Daisaku Ikeda trifft den indonesischen Präsidenten Abdurrahman um die Zukunft der Menschheit. Durch unseren lebendigen Austausch haben sich viele wertvolle Freundschaften entwickelt.

Die Mitglieder der SGI tragen durch die Förderung von Freundschaften und des persönlichen Austauschs dazu bei, den Wandel von einer Kultur des Krieges, die von Ideologien und Ausgrenzung geprägt ist, zu einer Kultur des Friedens voranzutreiben, in der die Unterschiedlichkeit als Ausdruck der menschlichen Vielfalt gefeiert wird und alle Menschen sich dazu verpflichten, die Würde des anderen zu schützen.

Durch die Förderung des soziokulturellen und bildungspolitischen Austauschs haben wir für Menschen verschiedener Nationalitäten und Religionen die Möglichkeit geschaffen, einander persönlich zu begegnen und Vertrauen und Freundschaften aufzubauen. Unsere Hoffnung ist, dass diese freundschaftlichen Bande fremdenfeindlichen Tendenzen entgegenwirken werden, die gerade in Zeiten verstärkter Spannungen zwischen Staaten auftreten können. Auf diese Weise versuchen wir, starke Gesellschaften aufzubauen, die der negativen Kraft der kollektiven Psychologie widerstehen. Und auch in Zeiten der politischen und wirtschaftlichen Entspannung bemühen wir uns seit Generationen darum, den Dialog und die Kommunikation aufrechtzuerhalten.

Im vergangenen Jahr weihte die Min-On Concert Association, die ich 1963 gegründet habe, das Min-On Music Research Institute ein. Mit fünf Jahrzehnten Erfahrung auf dem Gebiet des musikalischen und kulturellen Austauschs und Gruppen und Institutionen in 105 Ländern erforscht das Min-On-Institut die Rolle und das Potenzial von kulturellen Kräften wie Musik und Kunst für die Erschaffung von Frieden.

Durch die Förderung des soziokulturellen und bildungspolitischen Austauschs haben wir für Menschen verschiedener Nationalitäten und Religionen die Möglichkeit geschaffen, einander persönlich zu begegnen und Vertrauen und Freundschaften aufzubauen. Außerdem beraten wir bei religions- und kulturübergreifenden Dialogveranstaltungen, organisiert von verschiedenen nationalen Organisationen der SGI, über geeignete Maßnahmen, um den Kreislauf aus Hass und Gewalt zu durchbrechen. Die Entschlossenheit, menschliches Leid zu mindern, ist die Grundlage, auf der wir gemeinsame Probleme und Gefahren diskutieren. Wir profitieren vom Wissen und der Erfahrung anderer Kulturen und Religionen und haben so die Möglichkeit, ethische Grundsätze und Verhaltensweisen zu entwickeln, mit denen wir uns aus vermeintlichen Sackgassen holen können.

Folgende Worte des früheren tschechischen Präsidenten Václav Havel (1936–2011) aus dem Jahr 1996 sind hier passend: „Die einzig wirklich wichtige Aufgabe für das Europa der kommenden hundert Jahre ist, das bestmögliche Europa zu werden. Ein neu belebtes Europa, das seine besten spirituellen Traditionen nutzt, um mit viel Kreativität ein neues Modell der globalen Koexistenz zu entwickeln.“[22] Wenn wir in Havels Zitat „Europa“ durch unsere jeweilige Kultur oder Religion ersetzen, beschreibt es genau den Dialog, den wir durch unsere Bemühungen in Gang zu bringen versuchen. Durch den Dialog teilen wir die Energie unserer besten spirituellen Traditionen. Wir schärfen unseren Blick für das gesamte Spektrum des Menschseins. Wir lernen gemeinsam, nach bestem Wissen und Gewissen zu handeln. Darin liegt die wahre Bedeutung des religions- und kulturübergreifenden Dialogs.

Durch all diese Aktivitäten versuchen wir, die Menschen zu motivieren, sich nicht als Komplizen in den Kreislauf von Gewalt und Unterdrückung hineinziehen zu lassen. Wir verbreiten den Grundsatz der Koexistenz als Bollwerk gegen den Krieg. Unsere Arbeit zielt darauf ab, die menschliche Solidarität zu stärken. Das tun wir durch unsere gemeinsame Entschlossenheit, andere Menschen vor dem Leid zu bewahren, welches wir selbst niemals erleben möchten.

Im Vimalakirti-Sutra kommt an einer Stelle ein mit Juwelen besetztes Dach vor, das sich schützend über die ganze Welt legt. Fünfhundert junge Leute hatten sich um Buddha Shakyamuni versammelt, von denen jeder einen einzelnen, mit Juwelen besetzten Schirm trug. Die Schirme stehen symbolisch für den Wunsch jedes Einzelnen nach einer Welt der friedlichen Koexistenz und verschmelzen in der Menge zu einem gigantischen Dach.

So schützt der einzelne Schirm nicht mehr nur denjenigen, der ihn hält, vor Regen und gleißender Sonne, sondern bildet gemeinsam mit den anderen einen viel größeren Schirm, der allen Schutz bietet. Die jungen Leute um Buddha Shakyamuni, die bisher ganz unterschiedliche Wege gegangen sein mochten, wuchsen durch gemeinsame Entschlossenheit über sich und alle Unterschiede hinaus und bewirkten etwas Gutes für alle. In dieser Geschichte sehe ich ein wunderbares Symbol für die grenzenlosen Möglichkeiten der menschlichen Solidarität.

Diese Solidarität kommt auch in den neuen internationalen Entwicklungszielen der Vereinten Nationen für 2030 zum Ausdruck. Sie zeugen von der Entschlossenheit, das Leben und die Würde aller Menschen auf der Welt vor Bedrohung und Elend zu schützen. Nur durch Solidarität wird es möglich sein, diese Ziele zu erreichen.

Die kreative Evolution der Vereinten Nationen

Als Nächstes möchte ich einige konkrete Vorschläge zu Themen machen, die einen kreativeren Ansatz erfordern. Denn wenn wir das Leid in der Welt beseitigen wollen, müssen wir in manchen Fällen über das konventionelle Denken hinausgehen.

Wenn ich auf die sieben Jahrzehnte lange Geschichte der Vereinten Nationen zurückschaue, erinnere ich mich sofort an die Worte des zweiten UN-Generalsekretärs Dag Hammarskjöld (1905–1961) im Jahresbericht 1960:

Die Vereinten Nationen sind ein lebendiges Produkt der politischen Gesinnung unserer Generation. Die internationale Gemeinschaft hat durch diese Organisation ein politisches Selbstbewusstsein entwickelt, das sie sinnvoll nutzen und mit dem sie genau die Umstände beeinflussen kann, die zur Schaffung der Organisation geführt haben.[23]

Trotz der strukturellen Einschränkungen, denen die Vereinten Nationen als Verbund souveräner Staaten unterliegen, hat die Organisation mit den Jahren das Selbstbewusstsein der internationalen Gemeinschaft gestärkt und dadurch die Kraft geschöpft, die sie zur Erfüllung ihrer Mission braucht.

Durch ihre Bemühungen, die Grundsätze der Charta zu verwirklichen, und durch die Formulierung von allgemeinen Richtlinien, die für alle Staaten gelten, haben die Vereinten Nationen die Politik der nationalen Regierungen maßgeblich beeinflusst. Ein Beispiel hierfür ist die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte.

Jacques Maritain (1882–1973), ein französischer Philosoph, der stark in den Entwurfsprozess der Erklärung eingebunden war, betonte, wie einzigartig es sei, dass Menschen der unterschiedlichsten Überzeugungen und Anhänger der gegensätzlichsten theoretischen Konzepte Einigkeit über eine Reihe von Menschenrechten erzielt hätten.[24] Die Verfasser der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte hätten über die bestehenden ideologischen und kulturellen Unterschiede hinaus nie zu einem Konsens gelangen könnten, wenn es die Kraft einer gemeinsamen Plattform, wie sie die UN bot, nicht gegeben hätte.

Im Laufe der Jahre haben die Vereinten Nationen die öffentliche Aufmerksamkeit auf wichtige Themen gelenkt, indem sie die nachhaltigen Entwicklungsziele und das Konzept der Menschlichen Sicherheit entwickelten, und Initiativen wie das UN-Jahr und die UN-Dekade ins Leben riefen. Die UN hat außerdem internationale Maßnahmen zur Eindämmung von Gewalt gegen Frauen und Kinderarbeit ausgearbeitet, zwei wichtige Problembereiche, die auf nationaler Ebene ohne die Bemühungen der UN sonst vernachlässigt würden.

Die Ausarbeitung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges entschied die internationale Gemeinschaft, erschüttert durch die Gräuel des Krieges, ein Dokument aufzusetzen, das die Rechte und Freiheiten eines jeden Menschen auf der Welt festlegt und garantiert. Diese Aufgabe wurde 1946 der ersten Generalversammlung der Vereinten Nationen übertragen, die einen offiziellen Redaktionsausschuss unter der Leitung von Eleanor Roosevelt (1884–1962) mit der Ausarbeitung einer Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte beauftragte. Der Redaktionsausschuss bestand aus Mitgliedern der Menschenrechtskommission aus acht Nationen, wobei die geografische Verteilung der Mitglieder bewusst berücksichtigt wurde. Während des zweijährigen Ausarbeitungsprozesses ließ sich der Ausschuss von prominenten Vertretern der verschiedensten Glaubensrichtungen, Kulturen, politischen Systeme und Gemeinschaften aus aller Welt inspirieren. Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte wurde am 10.Dezember 1948 von der UN-Generalversammlung verabschiedet und bis heute in 440 Sprachen übersetzt.

Die Maßnahmen zum Schutz von Menschenleben und der Menschenwürde werden bis heute regelmäßig ergänzt und erweitert. Das internationale Recht findet so nicht nur auf der Ebene des Staates, sondern auch auf der Ebene des Einzelnen Anwendung. Möglich ist das durch den allgemeinen Konsens, der im Hinblick auf diese Themen besteht, und durch die Fokussierung der Probleme, mit denen die Unterdrückten zu kämpfen haben. Ich glaube, nur die UN kann diese unverzichtbare Funktion erfüllen.

Wenn wir neue Entwicklungsziele beschließen wollen, die noch breiter gesteckt sind als die MDGs, müssen wir zusammen an der kreativen Weiterentwicklung der UN arbeiten, immer mit der bewährten Überzeugung, dass wir unsere Probleme, wie es Hammarskjöld ausdrückte, „unbelastet durch alte Überzeugungen und vorgefertigte Formeln“[25] lösen können.

Ein möglicher Vorbote solcher Bemühungen war die UN-Klimakonferenz im Juni 2014 in der kenianischen Hauptstadt Nairobi, an der wegen der anstehenden Strukturreform zum UN-Umweltprogramm (UNEP) alle Mitgliedsstaaten teilnahmen. Viele wichtige Interessengruppen waren vertreten, darunter zahlreiche Vertreter zivilgesellschaftlicher Umweltorganisationen sowie Vertreter der Wirtschaft.

Ich habe schon immer betont, dass es zwei Grundvoraussetzungen für die Lösung globaler Probleme gibt: die Teilnahme aller Staaten und die Zusammenarbeit zwischen den Vereinten Nationen und der Zivilgesellschaft. Aufbauend auf diesen beiden Säulen müssen wir gemeinsame Initiativen entwickeln, um nicht nur umweltbezogene Herausforderungen zu meistern, sondern alle Bedrohungen für das Leben und die Würde der Menschen zu beseitigen. Dies sollte, so meine ich, im 70. Jahr nach der Gründung der Vereinten Nationen den Kern ihrer kreativen Evolution bilden.

Mit Blick auf die Mission der UN möchte ich konkrete Vorschläge zu folgenden drei Themen machen, die dringend unserer gemeinsamen Aufmerksamkeit bedürfen:

1. Schutz der Menschenrechte von Vertriebenen und Migranten

2. Verbot und Abschaffung von Atomwaffen

3. Schaffung einer nachhaltigen globalen Gesellschaft

Schutz der Menschenrechte von Vertriebenen

Der erste Bereich, in dem gemeinsames Handeln erforderlich ist, ist der Schutz der Menschenrechte von Flüchtlingen, Vertriebenen und Migranten. Ich möchte vorschlagen, den Schutz der Rechte und der Würde dieser Menschen explizit in die SDGs aufzunehmen, die im kommenden Herbst von der UN-Generalversammlung verabschiedet werden sollen.

Wie zuvor schon erwähnt, hatte mein Mentor Josei Toda bei seinem Appell zur Bekämpfung des Elends in der Welt das Schicksal der vielen Flüchtlinge nach dem Ungarischen Volksaufstand von 1956 und deren unsägliches Leid vor Augen.

Die politische Philosophin Hannah Arendt (1906–1975) bezeichnete das 20. Jahrhundert sogar als das Jahrhundert der Flüchtlinge. Sie schrieb:

Etwas noch Fundamentaleres als die Grundrechte aller Bürger – Freiheit und Gerechtigkeit – geht verloren, wenn die Zugehörigkeit zu der Gesellschaft, in die man hineingeboren wurde, keine Selbstverständlichkeit und die Nichtzugehörigkeit keine Frage der freien Entscheidung mehr ist.[26]

Voraussetzung für menschliche Würde ist die Existenz einer Welt, in der wir unsere Identität frei entfalten und zum Ausdruck bringen können. Von dieser Welt abgeschnitten zu werden und damit von den Menschenrechten, die mit ihr verbunden sind – das ist der Ursprung des Leids der Vertriebenen.

Das Büro des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen (UNHCR) wurde 1950 ursprünglich als vorübergehende Einrichtung mit dem Mandat zum Schutz von Flüchtlingen nach dem Zweiten Weltkrieg gegründet. Neben der Flüchtlingswelle nach dem Ungarischen Volksaufstand kam es zu weiteren Flüchtlingskrisen in Asien, Afrika und anderen Teilen der Welt, sodass das UNHCR-Mandat wiederholt verlängert wurde. 2003 verabschiedete die Generalversammlung eine Resolution, durch die „die zeitliche Begrenzung der Weiterführung des Büros aufgehoben wird (…), bis das Flüchtlingsproblem endgültig behoben ist.“[27]

Das Büro des UNHCR leistet wichtige Hilfsarbeit für Flüchtlinge, und die SGI unterstützt diese Aktivitäten auf vielfältige Weise. Aber das Flüchtlingsproblem hält sich im wachsenden Chaos der heutigen Zeit hartnäckig: 51,2 Millionen Menschen gelten derzeit als Flüchtlinge, Vertriebene oder Asylsuchende, und etwa die Hälfte davon ist unter 18 Jahren alt.[28]

Besonders besorgniserregend sind lang andauernde Flüchtlingssituationen, wenn Menschen ihr Heimatland unter Zwang verlassen mussten und bereits seit fünf Jahren oder länger in Flüchtlingscamps leben. Diese Menschen stellen mehr als die Hälfte der Flüchtlinge unter dem Mandat des UNHCR. Sie sind im Schnitt bereits seit über 20 Jahren auf der Flucht.[29] Das bedeutet, nicht nur die Flüchtlinge selbst, sondern auch ihre Kinder und Enkelkinder müssen unter extrem instabilen politischen, wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen leben.

Ebenso alarmierend ist die Zahl der Staatenlosen, die weltweit auf etwa 10 Millionen geschätzt wird.[30] Staatenlos zu sein bedeutet, keinen Zugang zu medizinischer Versorgung und Bildung zu haben. Nicht selten müssen diese Menschen ihre Situation verheimlichen, um ihre Familien zu schützen. Immer mehr Kinder, deren Eltern vor Gewalt und Menschenrechtsverletzungen geflohen sind, werden staatenlos geboren und verfügen über keinerlei Papiere. Im November 2014 startete der UNHCR eine globale Kampagne mit dem Ziel, das Problem der Staatenlosigkeit in den nächsten zehn Jahren zu lösen.

In seinem Werk Die Geografie des menschlichen Lebens erklärte Tsunesaburo Makiguchi 1903 die drei Ebenen der menschlichen Identität: als Bürger der lokalen Gemeinschaft, in der man unmittelbar verwurzelt ist, als Bürger einer nationalen Gemeinschaft, die den Rahmen für das gesellschaftliche Leben bildet, und als Bürger einer Weltgemeinschaft mit einem Verständnis für seine Verbundenheit mit der Welt. Er betonte, das einzigartige Potenzial des Menschen könnte nur dann voll ausgeschöpft werden, wenn dieser die Möglichkeit erhalte, alle Ebenen seiner Identität zu entwickeln.

Durch den Status als Langzeitflüchtling oder Staatenloser wird Menschen also nicht nur die Chance geraubt, am gesellschaftlichen Leben ihres Landes teilzunehmen, sondern auch die Möglichkeit, Beziehungen zu Nachbarn im lokalen Umfeld aufzubauen und an gemeinsamen Aktivitäten mit Menschen aus anderen Ländern teilzunehmen, die dem Ziel dienen, eine Welt zu erschaffen, so wie sie sie sich wünschen. Oder anders ausgedrückt: Es wird ihnen die Chance genommen, ganz sie selbst zu sein.

Wenn das Ziel der neuen SDGs erreicht werden soll, „alle Menschen überall auf der Welt“ vom Leid zu befreien, muss das Leid der Flüchtlinge als eines der wichtigsten Ziele in die kreative Evolution der Vereinten Nationen einbezogen werden. Dies entspräche auch dem Ideal der universellen Menschenrechte, die so eindringlich gefordert werden.

Genauso braucht die Menschenrechtssituation der weltweit 232 Millionen Migranten dringend unsere Aufmerksamkeit.

In Ländern, die eine längere Phase der wirtschaftlichen Rezession mit vermehrten sozialen Unruhen durchleben, zeigt sich eine wachsende Tendenz zur Negativwahrnehmung von Wanderarbeitnehmern. Diese äußert sich nicht selten in Diskriminierung und Feindseligkeiten gegenüber Migranten und ihren Familien. Im Ergebnis führt das dazu, dass die Chancen der Migranten auf eine reguläre Beschäftigung sinken und ihr Recht auf Bildung und grundlegende medizinische Versorgung stark beschnitten wird. Viel zu oft verschließt die Gesellschaft die Augen vor der Ungleichbehandlung, die diesen Menschen im Alltag widerfährt.

Weil Wanderarbeitnehmer und ihre Familien zunehmend marginalisiert und isoliert werden, bemüht sich die UN um die Ausräumung

von Missverständnissen und Vorurteilen. Im Rahmen des Hochrangigen Dialogs der Vereinten Nationen über internationale Migration und Entwicklung im Oktober 2013 sprachen sich die Regierungen dafür aus, den Zusammenhang zwischen Migration und Entwicklung in den neuen SDGs ausdrücklich zu betonen.

Hier möchte ich vorschlagen, das Thema nicht nur in Zusammenhang mit Entwicklung zu sehen. Vielmehr muss das Ziel, die Würde und die Grundrechte von ausländischen Arbeitnehmern und ihren Familien zu schützen, ausdrücklich in den SDGs formuliert werden, mit einem Verweis auf das Leid, das diese Menschen Tag für Tag durchleben.

Rechtsvorschriften und Richtlinien zum Schutz von Migranten müssen weiter verschärft werden. Dies gilt unter anderem, jedoch nicht ausschließlich, für bereits bestehende Rahmenwerke wie die Internationale Konvention zum Schutz der Rechte aller  Wanderarbeitnehmer und ihrer Familien (verabschiedet im Dezember 1990, aber nur von einigen Ländern ratifiziert) und die Agenda für menschenwürdige Arbeit der Internationalen Arbeitsorganisation.

Ferner möchte ich vorschlagen, die Mechanismen weiterzuentwickeln, mit denen benachbarte Länder gemeinsam die Integration Vertriebener fördern. Dies gilt besonders für Länder, die sehr viele Flüchtlinge aufgenommen haben.

Neben bewaffneten Konflikten haben in den vergangenen Jahren auch Naturkatastrophen und extreme Wetterereignisse viele  Menschen gezwungen, ihr Heim zu verlassen und Zuflucht zu suchen. In diesem Zusammenhang möchte ich die regionalen Beratungen im Vorfeld der humanitären Weltgipfelkonferenz erwähnen, die 2016 in Istanbul stattfinden wird. Im Rahmen des Gipfels sollen die besten Wege ermittelt und festgelegt werden, auf denen die globale Gemeinschaft zusammenkommen und humanitäre Krisen, verursacht durch Konflikte, Armut, Naturkatastrophen und extreme Wetterereignisse, wirksam bekämpfen kann.

Die regionale Beratung in Tokio im Juli 2014 fand unter dem Schwerpunktthema Katastrophenhilfe statt. Man betonte, dass die Katastrophenhilfe einen wichtigen Stellenwert im humanitären Prozess einnehme und dass die Betroffenen zur Selbsthilfe befähigt werden müssten, um in Würde leben zu können.

Diesen Ansatz verfolgt auch die SGI mit ihren Initiativen zur Katastrophenhilfe. Menschen, die dieses tiefe Leid selbst erfahren haben, können das Leid der Betroffenen besser nachvollziehen und ihnen eine unschätzbar wertvolle Stütze dabei sein, neuen Mut zu schöpfen.

Die dritte UN Weltkonferenz für Katastrophenvorsorge wird am 11. März 2015 im japanischen Sendai stattfinden, also am vierten Jahrestag der Erdbeben- und Tsunamikatastrophe, die sich 2011 in Japan ereignete. Die SGI wird das Symposium „Verbesserung der Katastrophenbereitschaft in Nordost-Asien durch Zusammenarbeit in der Katastrophenvorsorge“, das im Rahmen der Konferenz abgehalten wird, mitveranstalten. Hier werden Vertreter der Zivilgesellschaft aus China, Südkorea und Japan die Möglichkeiten einer verstärkten Zusammenarbeit in den Bereichen Katastrophenvorsorge und Notfallhilfe ausloten. Die Soka-Gakkai-Jugendmitglieder aus der Region werden ebenfalls ein Symposium über Katastrophenvorsorge abhalten und über die Rolle junger Menschen und religiöser Organisationen in diesem Zusammenhang diskutieren.

Diese Veranstaltungen beschäftigen sich damit, wie man Betroffene zur Selbsthilfe befähigen kann, sodass sie eine aktive und wichtige Rolle einnehmen können, wenn es darum geht, die Gesellschaft nachhaltig gegen Naturkatastrophen zu wappnen. Dies ist auch für die Sicherung der Würde und der Menschenrechte von Flüchtlingen wichtig, da viele von Katastrophen Betroffene für lange Zeit ihre Heimat verlieren. Das Leid, dem die Menschen bei einer humanitären Krise ausgesetzt sind, ist ungeachtet der Ursache immer gleich – sie werden aus ihrem Zuhause vertrieben, ihre Lebensgrundlage wird zerstört. Das Wichtigste ist, dass diese Menschen wieder neue Hoffnung und Lebensmut schöpfen.

Die Tatsache, dass mehr als 80 Prozent der Flüchtlinge weltweit von Entwicklungsländern aufgenommen werden, zeigt, dass Menschen, die selbst tiefes Leid erfahren haben, können das Leid der Betroffenen besser nachvollziehen und ihnen eine unschätzbar wertvolle Stütze dabei sein, neuen Mut zu schöpfen.dringend Maßnahmen erforderlich sind, um z.B. in Afrika das Problem der dauerhaften Entwurzelung zufriedenstellend lösen zu können. Die African Union (AU) und die Economic Community of West African States (ECOWAS) arbeiten bereits an einem Rahmenwerk zur Koordination der regionalen Zusammenarbeit.

Eine interessante Studie zeigt, dass in Afrika sehr gute Fortschritte bei der tatsächlichen Integration von Langzeitflüchtlingen erzielt werden. Diese gilt als erreicht, wenn die Flüchtlinge (1) nicht von einer Abschiebung bedroht sind, (2) nicht abgeschottet in Flüchtlingscamps leben, (3) ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten und ihre Familie versorgen können, (4) Zugang zu Schulbildung, Berufsausbildung und medizinischer Versorgung haben und (5) sozial in die Gastgemeinschaft integriert sind, also z.B. an Hochzeiten oder Beerdigungen teilnehmen. Die Studie belegt weiter, dass diese Form der Integration in verschiedenen ländlichen Regionen zu beobachten ist.[31]

Die Minister der ECOWAS forderten im Mai 2008 in einem gemeinsamen Appell die Gleichbehandlung von Flüchtlingen und anderen ECOWAS-Bürgern. Den in Nigeria und anderen Staaten lebenden Flüchtlingen wurden in der Folge Ausweise von ihren Heimatländern ausgestellt. Dadurch konnten sich viele den Status als Wanderarbeiter sichern und erhielten so die Möglichkeit, sich formell im Gastland niederzulassen.

Der nigerianische Autor Wole Soyinka, welchen ich zu meiner Ehre als Freund bezeichnen darf, hat einmal gesagt, die Fähigkeit der Menschen, sich in andere hineinzuversetzen, sei die Grundvoraussetzung für Gerechtigkeit.[32] Einen möglichen Schlüssel zur Lösung des Flüchtlingsproblems finden wir in Afrika, einem Kontinent, der schon immer von Bevölkerungsbewegungen geprägt war und eine lange Tradition der Toleranz zwischen Menschen verschiedener Kulturen pflegt.

Das erinnert mich an meinen ersten Besuch im UN-Hauptquartier in New York im Oktober 1960.Ich war überrascht und begeistert von der Energie, die die Vertreter der seit Kurzem unabhängigen afrikanischen Nationen ausstrahlten. Das brachte mich zu der Überzeugung, dass das 21. Jahrhundert das Jahrhundert Afrikas werden würde.

Der Kampf des früheren südafrikanischen Präsidenten Nelson Mandela oder die Baumpflanz-Initiative der kenianischen Umweltaktivistin Wangari Maathai (1940–2011) sind Vorboten des lang ersehnten 21. Jahrhunderts des Friedens und der Menschlichkeit, das seinen Ausgangspunkt in Afrika fand.

Trotz zahlreicher Schwierigkeiten haben die afrikanischen Nationen weiter nach Möglichkeiten gesucht, das Problem der Vertreibung durch regionale Kooperation einzudämmen. Wenn sich die Vereinten Nationen auf die Verabschiedung neuer Entwicklungsziele vorbereiten, kann ihnen die Weisheit und Erfahrung Afrikas eine Hilfe sein. Dies könne, so der südafrikanische Anti-Apartheid-Aktivist Steve Biko (1946–1977) dazu beitragen, „der Welt ein menschlicheres Gesicht zu geben.“[33]

Ich möchte mich an dieser Stelle für noch mehr regionale Zusammenarbeit aussprechen. Mehr Zusammenarbeit nach dem Vorbild Afrikas, beispielsweise in der Asien-Pazifik-Region, wo es viele Vertriebene gibt, oder auch im Nahen Osten, wo sich die Zahl der Flüchtlinge seit Beginn des syrischen Bürgerkriegs massiv erhöht hat.

Im Rahmen solcher regionalen Initiativen könnten z.B. benachbarte Staaten gemeinsam daran arbeiten, die gesellschaftliche Teilhabe und wirtschaftliche Unabhängigkeit der Flüchtlinge zu fördern. Konkret möchte ich vorschlagen, gemeinsame regionale Empowerment-Programme ins Leben zu rufen, deren Bildungs- und Berufsprojekte sowohl den jungen Menschen des Gastlandes als auch den Flüchtlingen zur Verfügung stehen. Damit hätten sowohl Flüchtlinge als auch Einheimische die Gelegenheit, stärkere Bande miteinander zu knüpfen und so eine nachhaltige Grundlage für die Unterstützung von Flüchtlingen und für die Stärkung der gesamten Region zu schaffen.

Abschaffung von Atomwaffen

Als zweiten Bereich für gemeinsame Aktionen möchte ich die Befreiung der Welt von Atomwaffen betrachten.

Bereits die erste UN-Resolution, angenommen von der ersten Sitzung der neu errichteten UN-Genrealversammlung im Januar 1946, befasste sich mit dem Problem der Atomwaffen. Während der Ausarbeitung der UN-Charta war die Existenz von Atomwaffen bekannt geworden, doch die Diskussionen drehten sich eher um Sicherheit als um Abrüstung. Nur etwa einen Monat nach der Annahme der Charta Ende Juni 1945 fielen die Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki. Als die Nachricht von diesen schockierenden Ereignissen um die Welt ging, wurden verstärkt Forderungen laut, dass die UN sich des Themas sofort annehmen müsse.

Durch die Resolution, welche „die Beseitigung von nationalen Atomwaffenarsenalen und allen anderen zur Massenvernichtung geeigneten Waffen“ forderte[34], versuchte die Generalversammlung, eine vollständige und ausnahmslose Eliminierung solcher Waffen zu erreichen.

Während der ständig steigenden Spannungen des Kalten Krieges wurde diese Forderung allerdings wieder in den Hintergrund gedrängt. Der Appell von Stockholm aus dem Jahr 1950 wurde von Millionen Menschen weltweit unterzeichnet und gilt mit als Grund für den Verzicht auf den Einsatz von Atomwaffen im Koreakrieg. In den Pugwash Conferences on Science and World Affairs von 1957 tauschten sich Wissenschaftler aus Ost und West über die Bedrohung durch Nuklearwaffen aus. Diese und andere Bemühungen der zivilen Gesellschaft gaben entscheidende Impulse für die Entwicklung eines gesetzlichen Rahmenwerks zur Regelung des Umgangs mit Atomwaffen.

Dies alles und die Lehren aus der Kubakrise, die die Welt 1962 an die Schwelle eines Atomkrieges gebracht hatte, führte schließlich zum Abschluss des Vertrags über die Nichtverbreitung von Kernwaffen (NPT), der 1970 in Kraft trat. Die Unterzeichner des Vertrags verpflichteten sich, die nukleare Abrüstung, ein noch unvollendetes Projekt, das die UN seit ihrer Gründung verfolgt, nach bestem Wissen und Gewissen zu unterstützen. Heute, 45 Jahre nach Inkrafttreten des Vertrags, ist die vollständige Abschaffung von Atomwaffen noch immer nicht erreicht, und der Fortschritt in Sachen Abrüstung ins Stocken geraten.

Vor kurzem hat die Bewegung für eine atomwaffenfreie Welt neue Formen angenommen: Vergangenen Oktober unterzeichneten 155 Staaten die Gemeinsame Erklärung über die humanitären Auswirkungen eines Einsatzes von Nuklearwaffen. Damit brachten mehr als 80 Prozent der Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen ihre gemeinsame Forderung zum Ausdruck, dass Kernwaffen niemals wieder und unter keinen Umständen mehr eingesetzt werden dürfen.

Der Teufelskönig des Sechsten Himmels

Der Sechste Himmel ist in der buddhistischen Kosmologie der höchste Himmel der Welt der Begierde, auch genannt als Himmel des hemmungslosen Auskostens der Bemühungen anderer. Hier lebt der Paranirmitavasavarti-deva, der Teufelskönig des Sechsten Himmels, der die Lebenskraft anderer raubt und sich an ihren Bemühungen bereichert. Es heißt, er würde Praktizierende des Buddhismus bedrängen, der buddhistischen Praxis den Rücken zu kehren, und sie daran hindern, die Erleuchtung zu erlangen.

Die humanitären Folgen des Einsatzes von Atomwaffen sind bereits bei drei großen internationalen Konferenzen das Kernthema gewesen, angefangen bei der Conference on the Humanitarian Impact of Nuclear Weapons im März 2013 in Oslo, gefolgt von internationalen Konferenzen in Nayarit, Mexiko, und im Dezember 2014 in Wien, Österreich.

Unter den Ergebnissen dieser Konferenzreihe erscheinen mir die folgenden drei besonders relevant:

1. Es ist unwahrscheinlich, dass irgendein Staat oder internationales Gremium in der Lage wäre, der humanitären Katastrophe unmittelbar nach dem Einsatz einer Atomwaffe angemessen zu begegnen und den Betroffenen ausreichend Unterstützung zukommen zu lassen.

2. Die Zerstörungskraft einer Atomexplosion würde vor nationalen Grenzen nicht haltmachen, verheerende langfristige Folgen haben und unter Umständen sogar den Fortbestand der Menschheit gefährden.

3. Zu den indirekten Auswirkungen einer Atomexplosion gehören die nachteilige Beeinflussung der sozioökonomischen Entwicklung und die nachhaltige Störung des ökologischen Gleichgewichts – Folgen, unter denen vor allem die Armen und Schwachen der Gesellschaft leiden.

Bei der internationalen Konferenz in Wien erkannten die Vereinigten Staaten und Großbritannien, beide erstmals bei der Konferenz vertreten, öffentlich die komplexe Debatte über die humanitären Auswirkungen eines Einsatzes von Atomwaffen an. Dies zeigt: Die Auswirkungen eines Einsatzes von Atomwaffen sind so verheerend, dass alle Staaten der Realität ins Auge blicken müssen – auch die Atomwaffenstaaten.

Wie es von nun an weitergehen soll, darüber scheiden sich allerdings die Geister. Die Mehrheit der Konferenzteilnehmer ist der Ansicht, dass nur die vollständige Abschaffung von Atomwaffen den grauenhaften Folgen vorbeugen könne. Die Atommächte und ihre Verbündeten dagegen vertreten die Auffassung, dass die abschreckende Wirkung von Atomwaffen vorerst noch aufrechterhalten werden müsse und dass eine atomwaffenfreie Welt nur langsam und Schritt für Schritt erreicht werden könne.

Auch wenn der Graben zwischen diesen beiden Auffassungen kaum größer erscheinen könnte, so sind sich doch alle über die verheerenden Konsequenzen eines Einsatzes von Atomwaffen einig. Beide Seiten, sowohl die Unterzeichner als auch die Nicht-Unterzeichner der gemeinsamen Erklärung, teilen die Besorgnis über diese Tatsache. Ich finde es daher wichtig, dass wir diese gemeinsame Sorge als Ausgangspunkt für die Suche nach einem gemeinsamen Weg in eine atomwaffenfreie Welt heranziehen.

Basierend auf dieser Erkenntnis müssen die Kernwaffenstaaten Initiativen entwickeln, um irreparable Schäden für sich selbst, ihre Verbündeten und die ganze Welt zu vermeiden. Ich möchte an dieser Stelle darauf hinweisen, dass die Unmenschlichkeit von Atomwaffen weit über bloße Zerstörungskraft hinausgeht. Die vielen Dimensionen der Unmenschlichkeit sind das, was Atomwaffen von allen anderen Waffenarten unterscheidet.

Der erste Aspekt, den ich beleuchten möchte, betrifft die zerstörerischen Auswirkungen von Atomwaffen – all das, was sie in Sekundenbruchteilen auslöschen können.

Folgende Worte aus dem Ergebnisbericht zur Konferenz von Wien haben mich beeindruckt: „Genau wie die Folter, die gegen alle Grundsätze der Menschlichkeit verstößt und mittlerweile in den meisten Ländern geächtet wird, ist das Leid, das durch Nuklearwaffen verursacht wird, nicht nur ein rechtliches Problem, sondern ein moralisches.“[35] Diese Feststellung entspricht genau dem, was mein Mentor Josei Toda schon 1957 in einer Erklärung zur Abschaffung von Atomwaffen gesagt hatte, in einer Zeit, als der Kalte Krieg zu einem Wettrüsten führte. In der Erklärung sagte Toda wörtlich:

Überall auf der Welt sind bereits Bewegungen entstanden, die ein Verbot von Atomwaffentests fordern. Aber ich möchte noch weiter gehen und das Problem an der Wurzel packen. Ich will das Bestialische solcher Waffen aufdecken und ausmerzen.[36]

Der Buddhismus lehrt, dass die größte Gefahr für die Menschenwürde das Böse ist, das aus der fundamentalen Illusion, die allem Leben innewohnt, hervorgeht – auch bekannt als Paranirmitavasavarti-deva oder Teufelskönig des Sechsten Himmels. Damit wird ein Zustand beschrieben, in dem sich die Bereitschaft zeigt, die Existenz eines jeden Individuums als unbedeutend abzutun und dem Leben seine ursprünglichste Bedeutung zu rauben. Dies greift auch Toda mit seiner Äußerung auf, in den Tiefen der Atomwaffe liege die schlimmste Form des Bösen verborgen.

Darum, so argumentierte er, müssen wir über ein Verbot von Atomtests hinausgehen und die Strategie der Abschreckung ablehnen, die ja auf der Bereitschaft beruht, das Leben unzähliger Menschen zu opfern. Dies ist die einzig wirksame Lösung zur Beseitigung der Bedrohung durch Nuklearwaffen, die im Namen aller Menschen auf dieser Welt angestrebt werden muss.

Dr. Joseph Rotblat (1908–2005), der eine wichtige Rolle bei den Pugwash-Konferenzen spielte, die 1957 gegründet worden waren – im selben Jahr, in dem Toda seine Erklärung veröffentlicht hatte – teilte diese Einschätzung mit mir:

Es gibt zwei Herangehensweisen an das Thema Atomwaffen, einen rechtlichen und einen moralischen Ansatz. Herr Toda wählte als religiöser Mensch den letzteren.[37]

Folter wird bereits durch normative Verbote geächtet und ist damit unter keinen Umständen zu rechtfertigen. Nun ist es an der Zeit, das Thema Atomwaffen gleichermaßen unter moralischen Gesichtspunkten zu betrachten.

Nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelte die Sowjetunion genau wie die USA erfolgreich Atomwaffen. Großbritannien, Frankreich und China zogen nach. Die Verbreitung von Atomwaffen ging auch nach dem Inkrafttreten des Atomwaffensperrvertrags weiter, und die nukleare Sackgasse wurde in der internationalen Gemeinschaft als unabänderliche Realität toleriert. Der Rüstungsstrategie liegt das Konzept der Abschreckung zugrunde, nach dem, einfach ausgedrückt, die Vernichtung der feindlichen Bevölkerung und ein erheblicher eigener Schaden in Kauf genommen werden.

Wie Toda bereits feststellte, geht es hier nicht mehr um die Unterscheidung zwischen Freund und Feind, sondern um die Verneinung sämtlicher Errungenschaften einer ganzen Gesellschaft, einer ganzen Zivilisation. Leben werden wahllos ausgelöscht, der Existenz wird jegliche Bedeutung geraubt.

Masaaki Tanabe, Leiter eines Kunstprojekts über Hiroshima vor dem Abwurf der Bombe, sagte: „Es gibt Dinge, die man einfach nicht nachbilden kann, auch nicht mit modernster Computertechnologie.“[38] Seine Worte beschreiben auf lebendige Weise die Unersetzlichkeit dessen, was zerstört wurde.

In einer Welt der nuklearen Abschreckung, in der Sicherheit nur durch die Furcht vor drohender Zerstörung gewährleistet wird, ist alles zerbrechlich und ungewiss. Die Absurdität dieser Situation erzeugt einen Nihilismus, der zerstörerische Auswirkungen auf die menschliche Zivilisation und Gesellschaft hat. Das können und dürfen wir nicht hinnehmen.

Außerdem besteht, wie bei der Konferenz in Wien im Dezember 2014 diskutiert, immer die Gefahr einer unbeabsichtigten atomaren Explosion, verursacht durch menschliches oder technisches Versagen oder eine Cyberattacke. Dieses Problem wird im Konzept der Abschreckung nicht nur völlig außer Acht gelassen, sondern stellt auch eine konkrete Gefahr dar, die sich mit jedem Land, das eine Politik der atomaren Abschreckung betreibt, proportional erhöht.

Während der Kubakrise hatten die politischen Führungen der USA und der Sowjetunion 13 Tage Zeit, um die Katastrophe abzuwenden. Würde heute dagegen eine Rakete mit einem nuklearen Sprengkopf gezündet, erreichte diese bereits nach 13 Minuten ihr Ziel. Eine Flucht oder Evakuierung der Zivilbevölkerung wäre damit unmöglich, der Zielbezirk würde mitsamt seiner Bewohner komplett ausgelöscht.

Egal, wie viel Mühen die Menschen auf sich genommen haben mögen, um ein glückliches Leben zu führen, und ganz gleich, über welchen Zeitraum hinweg sich ihre Kultur und Geschichte entwickelt hat – das alles wäre mit einem Schlag bedeutungslos. In dieser unfassbar absurden Tatsache spiegelt sich die unmenschliche Natur von Atomwaffen wider, die weit über die messbaren Folgen ihrer enormen Zerstörungskraft hinausgeht.

Doch Atomwaffen sind noch aus einem zweiten Grund unmenschlich: Die Entwicklung immer neuerer, noch modernerer Atomwaffen verursacht ernste strukturelle Veränderungen.

Bei der internationalen Konferenz in Wien stand das Thema Atomtests zum ersten Mal auf der Agenda. Mit dem Begriff „Hibakusha“ werden heute all diejenigen bezeichnet, die durch Atombomben radioaktiver Strahlung ausgesetzt waren, darunter auch die Menschen, die unter den weltweit mehr als 2.000 durchgeführten Atomtests zu leiden hatten.

Man schätzt, dass die Republik Marshall-Inseln durch Atomtests einer Strahlung der Menge von 1,6 Hiroshima-Bomben ausgesetzt war.[39] Das belegt, welche Auswirkungen die Abschreckungspolitik trotz der Argumentation hat, dass sie den Einsatz von Atomwaffen letztlich verhindere. Die Politik der nuklearen Abschreckung, bei der Drohungen zu einer enormen Anzahl von Atomtests geführt haben, hat den Marshall-Inseln, so ihr Außenminister der Republik Tony de Brum, „eine Bürde auferlegt, die keine Nation und kein Volk jemals tragen müssen sollte.“[40]

Seit dem Vertrag über das umfassende Verbot von Nuklearversuchen (CTBT) im Jahr 1996 ist die Anzahl der im Rahmen von Atomtests erfolgten Detonationen auf nahezu null gesunken. Obwohl der CTBT von 183 Staaten unterzeichnet wurde, bleibt er ein unsicheres Instrument, da er bis heute nie in Kraft getreten ist.

Der CTBT verbietet außerdem nicht die Entwicklung neuer, modernerer Atomwaffen, und solange die Politik der Abschreckung noch existiert, werden manche Länder weiter bestrebt sein, den Modernisierungsmaßnahmen anderer Länder zu folgen. Jährlich fließen weltweit 105 Milliarden US-Dollar[41] an staatlichen Mitteln in Nuklearprogramme, eine Zahl, die voraussichtlich noch weiter steigen wird. Würde diese enorme Summe in den Atomwaffenstaaten für die Förderung von Gesundheit und Sozialwesen und für die Minderung der Armut in den Entwicklungsländern aufgewendet, würden damit das Leben und die Würde von Millionen Menschen geschützt.

Die Weiterführung der Atomwaffenentwicklung verstößt nicht nur gegen Artikel 26 der UN-Menschenrechtscharta, in dem ein „geringstmögliches Abzweigen von menschlichen und wirtschaftlichen Ressourcen für Rüstungszwecke“ gefordert wird, sondern führt zur Aufrechterhaltung einer völlig verzerrten Weltordnung, in der das Leben der Menschen aufs Spiel gesetzt statt verbessert wird.

Eine dritte Tatsache ist, dass die Aufrechterhaltung von Atomwaffenarsenalen die Staaten in militärischer Spannung gefangen hält.

Bei der Konferenz zur Überprüfung des Nichtverbreitungsvertrags im Jahr 2010 verpflichteten sich die Atomwaffenstaaten im Rahmen verschiedener Sofortmaßnahmen dazu, „die Bedeutung von Nuklearwaffen in allen militärischen und sicherheitsbezogenen Konzepten, Doktrinen und Richtlinien weiter zu verringern.“[42] Im vergangenen Jahr wurde ein Fortschrittsbericht vorgelegt, aus dem aber leider wenig Veränderung hervorgeht. Viele Staatschefs von Atomwaffenstaaten geben zu, dass es kaum Szenarien gibt, in denen ein Einsatz von Atomwaffen überhaupt vorstellbar sei, und dass unsere aktuellen Konflikte ohnehin nicht durch Atomwaffen gelöst werden können. Und doch halten sie „nur zur Sicherheit“ an der Abschreckungspolitik fest und verhindern damit die vollständige Abrüstung.

Vielleicht können sich die Atomwaffenstaaten momentan noch nicht ganz von der Befürchtung lösen, sie selbst oder ihre Verbündeten könnten Opfer eines nuklearen Angriffs werden. Aber trotz dieser Besorgnis muss der schrittweisen Beseitigung von Konfliktursachen Priorität eingeräumt werden ebenso wie der Schaffung von Bedingungen, unter denen die Androhung eines Atomschlags nicht mehr die einzige Option ist.

Denn wie der Internationale Gerichtshof in seinem Gutachten von 1996 feststellte, ist nicht nur die Nutzung von Atomwaffen, sondern auch die Androhung ihrer Nutzung grundsätzlich als rechtswidrig anzusehen.

Richter Ferrari Bravo merkte in einer Erklärung zum Gutachten an, dass „der Graben zwischen Artikel 2, Absatz 4, und Artikel 51 [der UN-Charta] durch das große Problem der Abschreckung breiter geworden ist.“[43] Dies zeigt: Das Festhalten an der Abschreckungspolitik hat das Verständnis und die Ausübung des Rechts auf Selbstverteidigung von der ursprünglichen Bedeutung weggedrängt, die die Verfasser der Charta im Sinn hatten. In Artikel 2, Absatz 4, heißt es nämlich, die Anwendung oder Androhung von Gewalt sei grundsätzlich unzulässig. Die Existenz von Atomwaffen hat jedoch permanente Vorkehrungen zur individuellen oder kollektiven Selbstverteidigung erforderlich gemacht, die unter Artikel 51 als vorübergehende Maßnahme definiert werden und im Notfall ergriffen werden können, bis der Sicherheitsrat eingreift. Was ursprünglich als Ausnahme gedacht war, ist zur Regel geworden und kehrt die ursprüngliche Absicht der Charta ins Gegenteil um.

Auch nach dem Ende des Kalten Krieges hat sich daran nichts geändert. Selbst ohne bewaffnete Auseinandersetzungen oder Feindseligkeiten zwischen Staaten sorgt die Drohung mit Atomwaffen vielerorts für Spannungen.

Die Atomwaffenstaaten und ihre Verbündeten haben sich in einen regelrechten Sicherheits- und Geheimhaltungswahn hineingesteigert und halten Informationen zu ihren Atomwaffenprogrammen und -einrichtungen unter Verschluss. Gleichzeitig werden andere Nationen, die sich durch die Geheimnistuerei der Atomwaffenstaaten bedroht fühlen, dazu motiviert, eigene Atomwaffen zu bauen, und rüsten militärisch auf. Im schlimmsten Fall kann das dazu führen, dass ein militärischer Präventivschlag irgendwann einmal tatsächlich ins Auge gefasst wird.

Die Befürworter der atomaren Abschreckung argumentieren immer wieder gern, dass diese den tatsächlichen Einsatz von Atomwaffen verhindere. Wenn man aber das Wesen der Atomwaffe nach breiter gefassten Kriterien beurteilt, die alle Aspekte des Lebens im nuklearen Zeitalter berücksichtigen, erkennt man die enorme Bürde, die auf der ganzen Welt lastet.

Ich denke, die Tatsache, dass seit den Atombombenabwürfen auf Hiroshima und Nagasaki in keinem Krieg mehr Kernwaffen eingesetzt wurden, ist eher auf das Bewusstsein über die katastrophalen humanitären Ausmaße zurückzuführen als auf den Abschreckungseffekt. Und Fakt ist auch, dass Staaten, die keine Atomwaffen zu ihrer Verteidigung horten, noch nie mit einem Atomschlag bedroht wurden. Es ist das moralische Gewicht des Versprechens, auf die nukleare Option zu verzichten (z.B. durch die Errichtung atomwaffenfreier Zonen (NWFZ)), das eine klare Grenze gezogen hat, die die anderen Staaten nicht überschreiten können und wollen.

Bei der Konferenz in Wien im Dezember 2014 hat sich Österreich angesichts der inakzeptablen Konsequenzen eines Einsatzes von Atomwaffen und der entsprechenden Risiken als teilnehmender Selbst ohne bewaffnete Auseinandersetzungen oder Feindseligkeiten zwischen Staaten sorgt die Drohung mit Atomwaffen vielerorts für Spannungen.

Staat – und wohlgemerkt nicht nur als Gastgeberland – verpflichtet, mit allen relevanten Interessengruppen, Staaten, internationalen Organisationen und der Zivilgesellschaft zusammenzuarbeiten, um das große Ziel der atomwaffenfreien Welt zu verwirklichen. Vor der Konferenz organisierten die International Campaign to Abolish Nuclear Weapons (ICAN), der World Council of Churches (WCC) und die SGI im Rahmen eines Forums der Zivilgesellschaft ein glaubensübergreifendes Podium mit Vertretern des christlichen, muslimischen, hinduistischen und buddhistischen Glaubens, um den Weg zur endgültigen Beseitigung von Atomwaffen zu diskutieren. Das Ergebnis wurde in einer gemeinsamen Erklärung zusammengefasst, in der die Teilnehmer sich verpflichteten, sich für eine atomwaffenfreie Welt einzusetzen. Die Erklärung wurde auf der Konferenz von Wien als Beitrag der Zivilgesellschaft präsentiert.

Die Erfolge, die wir in diesem 70. Jahr nach den Atombombenkatastrophen von Hiroshima und Nagasaki bei der Forcierung solcher Erklärungen erzielen, sind der Schlüssel zu einer atomwaffenfreien Welt.

Hier möchte ich zwei konkrete Initiativen vorschlagen.

Zum einen muss basierend auf dem Atomwaffensperrvertrag ein neuer institutioneller Rahmen für die Abrüstung entwickelt werden. Im Dezember 2014 nahm die UN-Generalversammlung eine wichtige Resolution an, die den Staaten die Aufgabe auferlegt, bei der Überprüfungskonferenz zum Atomwaffensperrvertrag 2015 „Optionen für die Ausarbeitung effektiver Maßnahmen[zur nuklearen Abrüstung] zu prüfen, wie in Artikel VI des Vertrags vorgegeben.“[44]

Seit 1995 die Entscheidung fiel, den Atomwaffensperrvertrag auf unbegrenzte Zeit zu verlängern, hat es wenig Fortschritte bei der Umsetzung der erreichten Vereinbarungen gegeben. Die Herausforderungen werden unterdessen immer mehr. Diese Resolution bringt zum Ausdruck, wie dringend es erforderlich ist, dass die 169 Unterzeichnerstaaten sich mit dem Stillstand in Sachen nuklearer Abrüstung befassen.

Vor diesem Hintergrund möchte ich an die Regierungen möglichst vieler Staaten appellieren, der Überprüfungskonferenz in diesem Jahr beizuwohnen. Ich möchte außerdem vorschlagen, bei der Überprüfungskonferenz ein Forum abzuhalten, bei dem sich die Teilnehmer über die Ergebnisse der internationalen Konferenzen zum Thema „Humanitäre Auswirkungen von Atomwaffen“ austauschen können.

Da alle Parteien des Atomwaffensperrvertrags bereits bei der Überprüfungskonferenz 2010 einstimmig ihre Besorgnis über die humanitären Auswirkungen eines Einsatzes von Atomwaffen zum Ausdruck gebracht haben, hoffe ich, dass jedes Regierungsoberhaupt und jede nationale Delegation bei der diesjährigen Konferenz einen nationalen Plan zur Verhinderung dieser Konsequenzen vorlegen werden. Ferner möchte ich die Konferenz auffordern, die Debatte über effektive Abrüstungsmaßnahmen, die in Artikel VI des Atomwaffensperrvertrags gefordert werden, voranzutreiben und zu diesem Zweck einen neuen institutionellen Rahmen zu entwickeln.

Der Atomwaffensperrvertrag hat drei Säulen: die Nichtverbreitung von Atomwaffen, die friedliche Nutzung von Kernenergie und die atomare Abrüstung. Die ersten beiden Ziele werden durch die Organisation des Vertrags über das umfassende Verbot von Nuklearversuchen (CTBTO) und die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) überwacht. Leider gibt es aber keine Institution, die den Abrüstungsdialog aufrechterhält und die über die Einhaltung der Abrüstungspflichten aus dem Sperrvertrag wacht.

Ausgehend von der „eindeutigen Zusage der Atomwaffenstaaten zur vollständigen Beseitigung ihrer Atomwaffenarsenale und damit zur nuklearen Abrüstung“, die während der Überprüfungskonferenz im Jahr 2000 noch einmal bestätigt wurde, möchte ich die Einrichtung einer Abrüstungskommission vorschlagen, die über die sofortige und konkrete Umsetzung des Abrüstungsziels wacht.

Der Atomwaffensperrvertrag legt fest, dass eine Sonderkonferenz einberufen werden soll, wenn ein Drittel oder mehr der Vertragsstaaten eine Änderung oder Erweiterung des Vertrags fordert. Über diesen Prozess könnte eine Abrüstungskommission ins Leben gerufen werden. Diese würde die Vielzahl verschiedener Abrüstungsund Überprüfungspläne an einem zentralen Punkt bündeln.

Die zweite Initiative, die ich vorschlagen möchte, betrifft die Verabschiedung einer Atomwaffenkonvention. Obwohl noch viele Herausforderungen und Aufgaben vor uns liegen, bin ich davon überzeugt, dass der 70. Jahrestag der verheerenden  Atombombenkatastrophen von Hiroshima und Nagasaki der Bewegung neuen Schwung verleihen und die Verhandlungen über eine solche Konvention vorantreiben wird. Insbesondere sollte nach eingehender Prüfung der Ergebnisse der diesjährigen Überprüfungskonferenz zum Atomwaffensperrvertrag eine Plattform für solche Verhandlungen geschaffen werden.

Gemeinsame Erklärung der Glaubensgemeinschaften

Das glaubensübergreifende Podium „Faiths United Against Nuclear Weapons: Kindling hope, mustering courage“ formulierte eine gemeinsame Erklärung, in der sich alle Vertreter dazu verpflichten, weiter auf die inakzeptablen Risiken hinzuweisen, die von Kernwaffen ausgehen, die Jugend zu ermutigen, den Dialog innerhalb der und zwischen den verschiedenen Glaubensrichtungen zu fördern und eine atomwaffenfreie Welt zu schaffen. In der Erklärung heißt es konkret: „Atomwaffen sind Werkzeuge des Terrors, die geschaffen wurden, um Tod und Zerstörung über Völker, Nationen und die gesamte Welt zu bringen … Atomwaffen sind in keiner Weise mit den Werten unserer Glaubensgemeinschaften vereinbar: das Recht der Menschen auf ein Leben in Würde und Sicherheit; das Gebot des Gewissens und der Gerechtigkeit; die Pflicht, die Verwundbaren zu schützen, und die Verantwortung, unsere Erde für die nachfolgenden Generationen zu erhalten.“ http://www.sgi.org/assets/pdf/HINW14-Statement-Faith-Communities.pdf

Vor zwei Jahren stellte die UN eine Offene Arbeitsgruppe zur Entwicklung von Vorschlägen zur Förderung von multilateralen Abrüstungsverhandlungen zusammen mit dem Ziel, eine nachhaltig atomwaffenfreie Welt zu schaffen. Darauf könnten wir aufbauen und die Gruppe zu einem Verhandlungsforum weiterentwickeln, an dem die Zivilgesellschaft regulär teilhaben kann.

Zudem hat eine Resolution der Generalversammlung aus dem Jahr 2013 die Einberufung einer UN-Konferenz zur Abrüstung auf hoher internationaler Ebene gefordert, die spätestens 2018 zusammenkommen soll. Ich möchte vorschlagen, diese Konferenz für 2016 anzuberaumen und dabei mit dem Entwurf einer Atomwaffenkonvention zu beginnen. Ich hoffe sehr, dass Japan, ein Land, das die Folgen eines Einsatzes von Atomwaffen im Krieg selbst erlebt hat, mit den anderen Staaten und der Zivilgesellschaft zusammenarbeiten wird, um die Verwirklichung einer atomwaffenfreien Welt zu beschleunigen.

Im August wird in Hiroshima die Abrüstungskonferenz der Vereinten Nationen stattfinden und im Oktober und November, ebenfalls in Hiroshima, das World Nuclear Victims’ Forum. Die jährliche Pugwash-Konferenz findet im kommenden November in Nagasaki statt.

Ich hoffe sehr, dass Japan, ein Land, das die Folgen eines Einsatzes von Atomwaffen im Krieg selbst erlebt hat, mit den anderen Staaten und der Zivilgesellschaft zusammenarbeiten wird, um die Verwirklichung einer atomwaffenfreien Welt zu beschleunigen.

Auch die Vorbereitungen für einen Weltjugendgipfel zur Abschaffung von Atomwaffen, der im September als gemeinsame Initiative der SGI und anderer Nichtregierungsorganisationen in Hiroshima stattfinden wird, laufen auf Hochtouren. Im vergangenen Jahr sammelten die Jugendmitglieder der Soka Gakkai in Japan 5,12 Millionen Unterschriften für Petitionen zur vollständigen Beseitigung von Atomwaffen. Ich hoffe, dass beim Gipfel eine gemeinsame Erklärung der Jugend verabschiedet wird, ein Plädoyer für das Ende des Nuklearzeitalters, das das Engagement unter Jugendlichen weltweit für ein verbindliches Verbot von Kernwaffen erhöht.

In einem unserer Gespräche betonte Dr. Toynbee, die Lösung des Atomwaffen-Problems liege in einem globalen „selbstauferlegten Veto“[45], einem einstimmigen „Nein“ zum Besitz von Atomwaffen. Am 21. Januar dieses Jahres nahmen die USA und Kuba  Verhandlungen zur Wiederaufnahme regulärer diplomatischer Beziehungen auf, die seit der Kubakrise auf Eis lagen. In diesem Fall kann man tatsächlich sagen, dass die Krise durch ein selbstauferlegtes Veto, einen bewussten Verzicht auf die Nutzung von Atomwaffen seitens der USA und der Sowjetunion, gelöst wurde.

Um zu einem vertraglich festgelegten Verbot von Atomwaffen zu gelangen, wäre ein Prozess nötig, in dem die Staaten sich selbst dieses Veto auferlegen. Die flächendeckende Absage an die Nutzung von Atomwaffen würde eine neue Ära einleiten, in der die Menschen aller Länder sicher sein könnten, dass sie das Grauen eines Atomschlags niemals erleben müssen.

Aufbau einer nachhaltigen globalen Gesellschaft

Das letzte gemeinsame Handlungsfeld, das ich ansprechen möchte, ist die Errichtung einer nachhaltigen globalen Gesellschaft.

Um Umweltprobleme wie den Klimawandel in den Griff zu bekommen, müssen wir einen Erfahrungsaustausch über die Maßnahmen in Gang bringen, die einer Verschlimmerung der aktuellen Lage entgegenwirken und den Übergang zu einer abfallfreien Gesellschaft ermöglichen. Solche Bemühungen sind von grundlegender Bedeutung für das Erreichen der SDGs, und ich möchte in diesem Zusammenhang noch einmal deutlich auf die wichtige Rolle der Zusammenarbeit zwischen benachbarten Staaten hinweisen.

Konkret fordere ich China, Südkorea und Japan auf, gemeinsam ein regionales Modell zu entwickeln, das vorbildliche Vorgehensweisen für den Rest der Welt vorlebt, unter anderem im Bereich der Förderung individueller Talente. Im November vergangenen Jahres fand nach zweieinhalb Jahren zum ersten Mal wieder ein Gipfeltreffen zwischen Japan und China statt. Als jemand, der sich immer dafür eingesetzt hat, die Freundschaft zwischen den beiden Staaten zu fördern, bin ich zutiefst dankbar für diesen ersten Fortschritt in den bilateralen Beziehungen, die lange Zeit unterkühlt waren.

Nach dem Gipfeltreffen wurde im Dezember das Japan-China Energy Conservation Forum wieder ins Leben gerufen, und am 12. Januar dieses Jahres folgten Beratungen zum maritimen Informations- und Kommunikationssystem zwischen China und Japan. Dieses System kann im Krisenfall entscheidend zur Verhinderung einer Eskalation beitragen, und ich hoffe, dass die Umsetzung, wie von den beiden Staatschefs vereinbart, im Laufe des Jahres beginnen kann und reibungslos verläuft.

2015 jährt sich auch die Normalisierung der Beziehungen zwischen Südkorea und Japan zum fünfzigsten Mal. Obwohl es nach wie vor Spannungen zwischen den beiden Staaten gibt, die es abzubauen gilt, sollten wir nicht vergessen, dass sich die Interaktionen zwischen ihren Bürgern immer weiter ausgeweitet haben. Jedes Jahr reisen fünf Millionen Menschen zwischen Südkorea und Japan hin und her, sogar mehr als zwischen China und Japan. Als die bilateralen Beziehungen sich 1965 normalisierten, lag die Zahl der Reisenden bei gerade einmal 10.000. Auch wenn Meinungsumfragen zeigen, dass ein großer Teil der koreanischen und der japanischen Bevölkerung keine positive Meinung über das jeweils andere Land hat, erkennen mehr als 60 Prozent der Befragten die Bedeutung guter Beziehungen untereinander an.

Neben diesen Interaktionen setze ich große Hoffnungen in die trilaterale Zusammenarbeit in der Region, die sich seit einigen Jahren kontinuierlich weiterentwickelt. Seit Beginn der trilateralen Zusammenarbeit im Bereich Umwelt im Jahr 1999 wurden über 50 gemeinsame Beratungsgremien, darunter 18 Ministerkonferenzen, und mehr als 100 Kooperationsprojekte ins Leben gerufen. Um die Weiterentwicklung der Zusammenarbeit zu fördern, ist es wichtig, die trilateralen Gipfeltreffen zwischen China, Korea und Japan nach einer dreijährigen, durch politische Spannungen bedingten Unterbrechung wieder in Gang zu bringen.

Während die Verabschiedung der neuen SDGs näher rückt, sollten diese Kooperationen so schnell wie möglich wieder aufgenommen werden, um den positiven Trend in der Verbesserung der diplomatischen Beziehungen zu stärken. Zugleich muss auf ein förmliches Abkommen zwischen den drei Staaten hingearbeitet werden, um die Region zu einem Vorbild für nachhaltige Zusammenarbeit zu machen. Die Regierungschefs sollten im 70. Jahr nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs ein Zeichen setzen und ein gemeinsames Versprechen abgeben, nie wieder Krieg gegeneinander zu führen. Außerdem sollten sie Initiativen zum Aufbau des gegenseitigen Vertrauens anregen, etwa durch regionale Kooperationsprojekte zur Unterstützung der UN bei der Umsetzung der neuen SDGs.

Bei meinen vielen Treffen mit politischen, intellektuellen und kulturellen Führungspersönlichkeiten aus China und Korea, darunter der chinesische Premierminister Zhou Enlai (1898–1976) und der koreanische Premierminister Lee Soo-sung, haben wir unter anderem darüber gesprochen, wie Japan und China bzw. Japan und Korea freundschaftliche Bande knüpfen und damit einen nachhaltigen Beitrag zum Weltfrieden leisten könnten.

Jean Monnet (1888–1979), der eine wichtige Rolle in der deutschfranzösischen Aussöhnung spielte, sagte 1950 bei Verhandlungen zwischen den europäischen Staaten: „Wir sind hier, um Aufgaben gemeinsam zu lösen. Nicht, um zu unserem eigenen nationalen Vorteil zu verhandeln, sondern zum Vorteil aller.“[46]

Im September 2011 richteten China, Korea und Japan ein trilaterales Kooperationsbüro ein. Dieses soll potentielle Kooperationsprojekte ermitteln. Ich hoffe, dass die drei Länder zum Vorteil aller im Sinne der neuen SDGs zusammenarbeiten werden.

Wie bereits erwähnt, wird die SGI eine Rahmenveranstaltung der dritten UN-Konferenz über die Verringerung des Katastrophenrisikos unterstützen, bei der Vertreter der Zivilgesellschaft aller drei Staaten über eine regionale Zusammenarbeit in den Bereichen Katastrophenvorsorge und Notfallhilfe diskutieren werden. Das trilaterale Kooperationsbüro unterstützt die Veranstaltung, und ich bin guter Dinge, dass damit ein Zeichen für das positive Engagement auf zivilgesellschaftlicher Ebene gesetzt wird, welches die regionale Kooperation der Regierung zur Umsetzung der SDGs wirksam ergänzen wird.

Im Hinblick darauf möchte ich zwei Vorschläge zur Erweiterung des Erfahrungsaustauschs zwischen den Gruppen und Initiativen aus der Zivilgesellschaft machen.

Der erste Vorschlag betrifft die Jugend. Ein wichtiger Wendepunkt in den Nachkriegsbeziehungen zwischen Frankreich und Deutschland war der Élysée-Vertrag von 1963, der eine Ära des verstärkten Austauschs unter Jugendlichen einläutete. „Jahrhundertealte Feindschaft wich tiefer Freundschaft.“[47] Dieser Satz stammt aus einem Artikel, den der französische Außenminister Laurent Fabius und der deutsche Außenminister Guido Westerwelle 2013 anlässlich des 50. Jahrestags des Élysée-Vertrags gemeinsam verfassten. Und tatsächlich, die über acht Millionen jungen Menschen, die die Gelegenheit erhielten, im Nachbarland zu studieren, haben eine entscheidende Rolle für die Festigung der Bande zwischen beiden Gesellschaften gespielt.

Vor acht Jahren wurde ein Jugendaustauschprogramm zwischen China, Korea und Japan ins Leben gerufen, und ich hoffe, dieses besondere Jahr wird die Verantwortlichen motivieren, die Reichweite dieses Programms zu erweitern. Neben einem verstärkten kulturellen und bildungsbezogenen Austausch zwischen Schülern und Studenten würde ich mir eine chinesisch-koreanisch-japanische Jugendpartnerschaft wünschen, die jungen Leuten die Möglichkeit gibt, explizit auf das Erreichen der SDGs oder anderer trilateraler Entwicklungsziele hinzuarbeiten.

Für die einzelnen Teilnehmer wäre die Zusammenarbeit zur Überwindung von umwelt- und katastrophenbezogenen Herausforderungen eine wertvolle Erfahrung, die ihnen das gute Gefühl vermitteln würde, die eigene Zukunft aktiv mitzugestalten. Nicht zuletzt würden aus einer solch prägenden Lebenserfahrung neue Freundschaften und gegenseitiges Vertrauen hervorgehen, die lange positiv in die Zukunft nachwirken.

Seit der Unterzeichnung der Austauschvereinbarung zwischen den Jugendmitgliedern der Soka Gakkai und der All-China Youth Federation (ACYF) 1985 finden regelmäßige Austausche statt. Im Mai 2014 wurde eine neue Zehnjahresvereinbarung unterzeichnet und damit das Versprechen erneuert, weiter zusammenzuarbeiten und die Freundschaft zwischen den Ländern zu fördern. Die Soka-Gakkai-Jugendmitglieder aus Kyushu haben an vielen Austauschaktionen mit Korea teilgenommen. All diese Aktivitäten gründen auf der Überzeugung, dass der Austausch und die persönliche Begegnung zwischen jungen Menschen der wichtigste Faktor für die Schaffung einer friedlicheren und menschlicheren Welt im 21. Jahrhundert sind.

Mein zweiter Vorschlag ist eine Verstärkung der Austausche zwischen Partnerstädten in den drei Ländern bis 2030, dem Zieljahr der SDGs.

Als ich vor 40 Jahren den chinesischen Premierminister Zhou Enlai traf, war unser größtes gemeinsames Interesse die Vertiefung der freundschaftlichen Beziehungen zwischen den Bürgern unserer Länder. In meinem Aufruf zur Normalisierung der chinesisch-japanischen Beziehungen 1968 schrieb ich: „Die Normalisierung der Beziehungen zwischen zwei Ländern wird nur dann funktionieren, Jugendliche aus Korea besuchen Kyushu im Rahmen eines Koreanisch-Japanischen Freundschaftsaustausch, September 2011 wenn die Menschen beider Nationen gemeinsam und zum Vorteil beider Seiten miteinander interagieren und so zur Stärkung des Weltfriedens beitragen.“ Auch Premierminister Zhou sagte, eine nachhaltige chinesisch-japanische Freundschaft könne nur dann aufgebaut werden, wenn die Menschen in beiden Ländern einander wirklich verstünden und vertrauten. Bei unserem Treffen erzählte er mir von seinen eigenen Jugenderlebnissen. Er hatte selbst eineinhalb Jahre in Japan gelebt und studiert, und ich hatte wirklich das Gefühl, dass es diese Erfahrung war, die seinen Standpunkt geprägt hat.

1916, ein Jahr, bevor Zhou zum Studieren nach Japan kam, schrieb der japanische Politikphilosoph Sakuzo Yoshino (1878–1933) vor dem Hintergrund der sich verschlechternden chinesisch-japanischen Beziehungen: „Wenn unter den Bürgern Vertrauen und Respekt herrschen, werden aufkommende Missverständnisse und Feindseligkeiten wie Wellen auf dem Ozean sein, die, aufgewirbelt durch den Wind, für Unruhe an der Oberfläche sorgen, aber den tief darunter fließenden, ruhigen Strömungen der Freundschaft nichts anhaben können.“[48]

Damit bringt er meine eigene, lange gereifte Überzeugung zum Ausdruck. Wenn Menschen verschiedener Nationen sich gegenseitig ins Herz blicken und sich für das Wohlergehen und das Glück der anderen interessieren, wächst ein großer Baum der Freundschaft heran, der allen Stürmen und der Kälte trotzt und neue Triebe bildet, die weit in die Zukunft reichen.

Aktuell gibt es 356 lokale Städtepartnerschaften zwischen China und Japan, 156 zwischen Japan und Südkorea, und 151 zwischen China und Südkorea. Wir sollten diese Städtepartnerschaften und damit die unzerstörbaren Bande der Freundschaft weiter ausbauen.

Unser Gründungsgeist

Bei der Formulierung meiner sehr konkreten Vorschläge war mir vollends bewusst, dass es letzten Endes die Solidarität der einfachen Bürger ist, die die Menschheit bei der Bewältigung ihrer Herausforderungen voranbringt, beispielsweise bei der Umsetzung der Nachhaltigen Entwicklungsziele.

Genau heute vor vierzig Jahren, am 26. Januar 1975, kamen Vertreter aus 51 Ländern und Hoheitsgebieten in Guam zusammen und gründeten die SGI. Präsident Todas Vision von einer Weltbürgerschaft und seine Entschlossenheit, das Elend aus der Welt zu schaffen, waren in diesem Moment für mich besonders präsent. Als ich damals bei der Gründungskonferenz neben meiner Unterschrift als Nationalität „die Welt“ angab, habe ich geschworen, die Vision meines Mentors zu verwirklichen.

In der Abschlusserklärung dieser ersten Konferenz wurde unser Gründungsgeist mit den folgenden Worten beschrieben: 

„Bei der Schaffung von Frieden sind die freundschaftlichen Bande zwischen den Menschen, die sich der Heiligkeit des Lebens bewusst sind, stärker als wirtschaftliche oder politische Bande. (…)

Dauerhafter Friede kann nicht erreicht werden, solange ein Teil der Menschheit leidet. Wir werden darum alles daransetzen, das buddhistische Ideal des Mitgefühls zur Grundlage einer neuen philosophischen Orientierung zu machen, die die Menschen inspiriert, einen konkreten Beitrag zum Fortbestand und zur blühenden Entwicklung der Menschheit zu leisten.“

Dies ist auch heute, nachdem sich unsere Bewegung in 192 Länder und Hoheitsgebiete ausgebreitet hat, noch immer unser Credo. Mit dem Ziel vor Augen, die Freundschaft und den Dialog zwischen den Völkern zu fördern, werden wir uns weiter für eine Welt ohne Atomwaffen und Krieg einsetzen und versuchen, das Elend in der Welt zu beseitigen und eine Gesellschaft aufzubauen, in der alle den Segen der Würde des Lebens voll und ganz genießen können.

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[1] UN DESA, Open Working Group Proposal for Sustainable Development Goals

[2] (übers. aus) Toda, Toda Josei zenshu, 3: 290.

[3] King, The Trumpet of Conscience, 24.

[4] (übers. aus) Toda, Toda Josei zenshu, 3: 74.

[5] Francis, Apostolic Exhortation, para. 53.

[6] Siehe Nakamura, Genshi butten o yomu, 195.

[7] Gandhi, The Collected Works, 89: 125.

[8] (übers. aus) Nakamura, Genshi butten o yomu, 219.

[9] (übers. aus) Makiguchi, Makiguchi Tsunesaburo zenshu, 10: 209–10.

[10] Siehe Ikeda, A Forum for Peace, 258–67.

[11] Ebd., 195–98.

[12] Siehe Makiguchi, Makiguchi Tsunesaburo zenshu, 2: 207–08.

[13] NRC und IDMC, „Global Estimates 2014“, 15.

[14] Fujimori, Teishotoku koreisha no jittai to motomerareru shotoku hosho seido; und Japanese Ministry of Health, Labour and Welfare, Graphical Review of Japanese Household, 25.

[15] Narada, übers., The Dhammapada, 23:12:331.

[16] (übers. aus) Nichiren, Nichiren Daishonin gosho zenshu, 769.

[17] Erikson, Insight and Responsibility, 114.

[18] Siehe Erikson, Childhood and Society, 266–67.

[19] Erikson, Gandhi’s Truth, 407–08.

[20] Mandela, Gandhi the Prisoner

[21] Toynbee, East to West, 221.

[22] Havel, Europe as Task

[23] Hammarskjöld, Introduction to the Annual Report, 8.

[24] Siehe Maritain, Man and the State, 76.

[25] Hammarskjöld, Address at the Inauguration, 2: 375.

[26] Arendt, The Origins of Totalitarianism, 296.

[27] UN-Generalversammlung, Implementing Actions Proposed, 2.

[28] UNHCR, UNHCR Global Trends 2013, 2–3.

[29] Milner und Loescher, Responding to Protracted Refugee Situations, 3.

[30] UNHCR, UNHCR Global Trends 2013, 3.

[31]  Jacobsen, The Forgotten Solution, 9; und Fielden, Local Integration, 6–12.

[32] Siehe Foramu 21 seiki e no sozo

[33] Biko, I Write What I Like, 47.

[34]  UN-Generalversammlung, Establishment of a Commission

[35] Österreichisches Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres, Report and Summary, 2.

[36] (übers. aus) Toda, Toda Josei zenshu, 4: 565.

[37] Ikeda and Rotblat, A Quest for Global Peace, 52.

[38]  (übers. aus) Hiroshima, Nagasaki, Okinawa seinen-bu ga heiwa samitto

[39] de Brum, Statement at the General Debate, 1.

[40] TEbd.

[41] Global Zero, World Spending on Nuclear Weapons, 1.

[42]  UN-Generalversammlung, 2010 Review Conference, 21.

[43] ICJ, Legality of the Threat or Use of Nuclear Weapons, 284.

[44] UN-Generalversammlung, Towards a Nuclear-weapon-free World, 6.

[45] Ikeda und Toynbee, Choose Life, 194.

[46] Monnet, Memoirs, 323.

[47] Westerwelle und Fabius, Germany and France at the Service of Europe

[48] (übers. aus) Yoshino, Yoshino Sakuzo senshu, 8: 218–19.