Gift in Medizin verwandeln

Was ist Hoffnung? Per Definition ist es die Zuversicht, dass sich eine Situation zum Guten wenden wird. Der Optimismus, den wir als Ausübende des Nichiren-Buddhismus erleben, ist anders: Er ist die Zuversicht, dass wir die Situation ganz gewiss selbst zum Guten verändern können. Wenn wir mit Schwierigkeiten konfrontiert sind, leiden wir. Aber weil wir den Gohonzon haben, können wir mit unserem starken Glauben nicht nur jedes Leiden überwinden, sondern sogar in Wohltaten verwandeln. Dieses Prinzip ist im Buddhismus bekannt als „Gift in Medizin verwandeln“.

Nagarjuna (ca. 150–250 n. Chr.), ein indischer Gelehrter des Mahayana-Buddhismus, benutzte den Begriff erstmalig in seinem Werk Abhandlung zur „Großen Vollkommenheit der Weisheit“. Darin verglich er das Lotos-Sutra mit einem großartigen Arzt, der Gift in Medizin verwandeln kann. Denn es lehrt, dass nicht nur Buddhas, sondern auch ganz normale Menschen die Buddhaschaft verwirklichen können. Nichiren Daishonin erläutert dies wie folgt: „Was ist das Gift? Es sind die Drei Pfade von irdischen Begierden, Karma und Leiden, die unser Schicksal sind. Was ist die Medizin? Es sind [die drei Tugenden des Buddha] der Dharmakörper, Weisheit und Befreiung. Und was bedeutet es, Gift in Medizin zu verwandeln? Es bedeutet, die Drei Pfade in die drei Tugenden [des Buddha] zu verwandeln: Dharmakörper, Weisheit und Befreiung“ (WND-2, 743)

Die buddhistische Philosophie beschreibt mit den von Nichiren Daishonin erwähnten Drei Pfaden – irdische Begierden, Karma und Leiden – den Zustand der normalen Alltagsmenschen: Wir können unsere Buddhanatur nicht sehen und leben deshalb in einer tiefgründigen Illusion über unser Leben. Dies führt dazu, dass wir meinen, nicht glücklich sein zu können, wenn unsere Wünsche, die irdischen Begierden, nicht erfüllt werden. So setzen wir Ursachen, mit denen wir diese Tendenz verstärken und negatives Karma schaffen. Das führt zu weiterem Leiden. So landen wir im Teufelskreis eines Lebens, das nicht zu seiner Buddhanatur erwacht ist und damit „Gift“ enthält.

Demgegenüber ist das Leben des Buddha von seinen drei Tugenden von Dharmakörper, Weisheit und Befreiung geprägt. Der Dharmakörper entspricht der tiefsten Wesenheit des Lebens, der Quelle der Lebenskraft. Weisheit ist die Fähigkeit, diese Lebenskraft zu erkennen. Und Befreiung bedeutet, durch Dharmakörper und Weisheit die Leiden aus Geburt und Tod überwinden zu können.

„Gift“ hört sich vielleicht sehr negativ an, aber im Buddhismus von Nichiren Daishonin hat es eine wichtige, gar notwendige Funktion. Die beste Medizin wird aus giftigen Substanzen gemacht. Genauso können unsere Wünsche letztlich die Quelle unserer Buddhaschaft werden, denn weil wir Wünsche haben, chanten wir aufrichtig zum Gohonzon, um sie zu verwirklichen. Das Chanten, das sich eigentlich auf die Verwirklichung unserer Wünsche richtet, hat den „Nebeneffekt“, dass die Buddhanatur unseres Lebens aktiviert wird. So erscheinen die drei Tugenden des Buddha, Dharmakörper, Weisheit und Befreiung. Und mit ihnen erscheinen Kraft, Mut und Weisheit, um unsere Probleme zu konfrontieren und Fehler in Wachstum, Streit in Harmonie, Misstrauen in Vertrauen, Leiden in Freude und dauerhaftes Glück zu verwandeln. So entsteht in unserem Leben ein Wert, den es ohne den Wunsch oder das Problem nicht gegeben hätte und der weit über unseren ursprünglichen Wunsch hinausgeht. Der Schlüssel, um die Drei Pfade in die drei Tugenden des Buddha zu verwandeln, ist unsere Ausübung, das Rezitieren von Nam-Myoho-Renge-Kyo zum Gohonzon. Das Vertrauen in die Kraft unserer Buddhaschaft erlaubt es uns, im Leben ohne Angst voranzugehen.

SGI-Präsident Daisaku Ikeda ermutigt uns: „Tsunesaburo Makiguchi, erster Präsident der Soka Gakkai, erörterte einmal das Prinzip Gift in Medizin verwandeln und betonte dabei, dass wir unbeeindruckt von allen Geschehnissen unseres Lebens den Blick immer fest auf die Zukunft richten sollen: ‚Unsere tägliche Ausübung des Mystischen Gesetzes ist ein Prozess der Verwandlung von Gift in Medizin. Solange wir menschliche Wesen sind, lassen sich weder Unglücksfälle noch Missgeschicke oder berufliche Rückschläge vermeiden. (…) Solange wir jedoch nicht am Gohonzon zweifeln und uns mit dem Mystischen Gesetz und dem Gohonzon als Grundlage immer weiter unserer Ausübung widmen, können wir das „Gift“ jeder Situation in Medizin verwandeln.‘“ (Vorlesung „Das Öffnen der Augen“, S. 151)


aus: Impulse für die tägliche Ausübung. Buddhismus heute



Zum Weiterlesen und Vertiefen:

Dialoge über das Lotos-Sutra, Bd. 6, S. 92

Vorlesung über „Das Öffnen der Augen“, S. 138 – 152

Die Weisheit zur Erschaffung von Glück und Frieden, Bd. 1, S. 105 f. und Bd. 2.1, S. 183